Drei Stunden Schlaf


Dev Hynes zeichnet Comics, war mal in einer legendären Prä-Nu-Rave Band und nimmt als LIGHTSPEED CHAMPION dutzendweise Alben auf. Jetzt kommt eins raus!

„Legendär?“ Dev Hynes hört nicht mehr auf zu lachen. Der 23-Jährige trägt modisch-abgetragene Secondhand-Kleidung, neben sich die Gitarre, von der er nicht die Finger lassen kann. Und hat viel Spaß am Interview. Zum Beispiel, wenn er über seine Ex-Band Test Icicles spricht, die mancher Coolist für eine, ja: legendäre Live-Band und Vorreiter des Nu-Rave hält. Waren die nicht ursprünglich als Witz-Projekt gedacht um Grenzen auszulotsen? „Ja, genau. Nur haben das nicht alle so ganz kapiert. Es war komisch… Vor den Icicles haben wir die ganze Zeit Bands gegründet und Tapes aufgenommen. Sam (Mehran, Sänger; Anm.) und ich hatten während der Sessions zum Icicles-Debüt, sogar noch ein zweites Album heimlich in einer Scheune aufgenommen.“

Schnell wird klar, dass man es bei Dev Hynes mit einem unruhigen Geist zu tun hat. Auf die meisten Fragen antwortet er ausschweifend und erzählt eine unfassbare Anekdote nach der anderen. Nach dem Ende der Test Icicles im Frühling 2006 begann Hynes, wie wild Songs zu schreiben und nahm schließlich mit Bright-Eyes-Produzent Mike Mogis FALLING OFF THE LAVENDER BRIDGE auf. Das Album darf man getrost als eines der besten Folkalben des Jahrzehnts bezeichnen, das durch die Vermählung von Saddle-Creek-Sound, typisch britischen Texten und einem Hauch Prog dem Genre zudem noch Neues abgewann.

Auch mit seinem neuen Album hatte Hynes, der in Texas geboren wurde, in Essex aufwuchs und heute in London lebt, einen bestimmten Ansatz: „Nach so einem stillen Folkalbum wollte ich jetzt richtig over-the-top gehen. Ich hatte mir außerdem vorgenommen, diesen europäischen bzw. britischen Sound zu finden. Nimm eine Band wie Queen – sie sind sehr vielschichtig, aber ihre Musik wirkt so britisch, und man kann nicht fest machen, woran das liegt.“

Und tatsächlich, das neue Album LIFE IS SWEET! NICE TO MEET YOU klingt wie ein Mixtape aus Singles der besten UK-Bands der Popgeschichte, doch nie wie ein Plagiat. Für Hynes ist das selbstverständlich. „Ich wollte nicht wie andere Bands klingen, sondern mich von einer Atmosphäre, einem Sound inspirieren lassen. Jetzt wollen alle über die Entwicklung meines Sounds reden, aber eigentlich nehme ich die ganze Zeit Alben nach Themen auf. Ich suche ein Genre aus, nehme Songs auf, mixe sie, gestalte das Artwork – fertig. Die verschenke ich dann meist an Freunde, stelle sie ins Netz oder schicke sie dem Label.“

Das erinnert an Ryan Adams, dessen im Netz veröffentlichte und schnell wieder zurückgezogene Alben Kultstatus besitzen. Der Vergleich freut Hynes:

„Adams ist so cool, ich respektiere den unglaublich. Und ich kenne das. Ich hab mal ein Album aufgenommen, als ich auf das Haus eines Freundes aufpasste. Dann stellte ich es ins Netz und ging auf eine Party. Zwei Stunden später fiel mir ein, wie mies es eigentlich war. Ich rannte panisch nach Hause, nahm es von der Website und saß dann da, so: ,Scheiße, 60 Leute haben es runter geladen!'“

Es liegen aber auch gelungene unveröffentlichte Alben in Hvnes‘ Keller: „Während der LAVANDER BRIDGE-Zeit hab ich eine Elektro-Platte aufgenommen, BLOOD ORANGE. Und ich habe Todd Rundgrens A WIZARD, A TRUE STAR gecovert, das ist cool! Ein paar Freunde und meine Freundin sagen, es sei das Beste, was ich je gemacht habe! Es gibt auch schon ein Cover von mir in Zauberer- Umhang.“

In seiner Freizeit schreibt Hynes außerdem Comics, hört massenhaft Musik, spielt bei befreundeten Bands live mit und kümmert sich um seine Freundin. Kriegt er überhaupt noch Schlaf? „Ja, drei Stunden am Tag. Aber ich fühle mich gut dabei und kann die Tage noch auseinander halten.“ Und wieder lacht Hynes, greift sich seine Gitarre und spielt drauf los. Legendär, der Mann.