‚Ein Mormone im weißen Haus? Und als Nächstes? Ein Scientologe?‘


Bei Chinotto und Prosecco sprechen wir mit …And You Will Know Us By The Trail Of Dead über ihr neues Album "Lost Songs", Mormonen – und die Frage, ob Obama kifft.

Wir treffen uns mit Conrad Keely und Jason Reece (beide Gesang und Gitarre) von …And You Will Know Us By The Trail Of Dead in einer schicken kleinen Bar. Die beiden machen einen reichlich verkrümelten Eindruck. Insbesondere Conrad hat sichtlich Schwierigkeiten, nicht einzuschlafen. „Schaffst du noch ein Interview?“ wird er von Reece gefragt. „Ja“, mault dieser, „ich wünschte, ich hätte eine Adderall, aber es geht schon.“

Aufputschmittel hatte der Barkeeper zwar keine, aber die Beiden sind dann beim Gespräch trotzdem wach geworden:

Ihr habt Euer neues Album „Lost Songs“ in Hannover aufgenommen. Wie kam es dazu?
Jason:
Die Idee kam von Conrad und Autry (Fulbright, Bassist). Wir wollten mal außerhalb von Austin aufnehmen. Ich stecke dort irgendwie fest.

Ist die Stadt nicht ein bisschen verschlafen?
Conrad: Es gibt dort eine aktive Szene, mit vielen Festen und Straßenmusikern – es gab einen Kindertag. Hannover hat immerhin die Scorpions hervorgebracht.
Jason: Gott hat uns dorthin geführt. Die Horus-Studios sind in Hannover.
Conrad: Die Studios sind damals von einem Mitglied der Prog-Band Eloy gegründet worden.
Jason: Wir haben uns das angeschaut, und uns gesagt, das sieht super aus, machen wir das. Es war sehr heimelig und wir hatten unsere Ruhe.
Conrad: Keine Ablenkungen.
Jason: Die Amerikaner und die Deutschen haben uns dort schön allein gelassen.

Ihr habt das Album Pussy Riot gewidmet. Warum ist deren Anliegen für Euch wichtig?
Conrad: Weil sie ins Gefängnis geworfen wurden, nur weil sie Künstler sind! Das ist unvorstellbar! So etwas kann und darf nicht passieren, wir mussten etwas tun.
Jason: Die Vorstellung, dass jemand wegen eines Konzerts ins Gefängnis geworfen wird! Das ist so altmodisch …
Conrad: Es ist barbarisch!
Jason: Wieso kann man nicht einfach die Regierung kritisieren?
Conrad: Amerika ist ja ein freies Land. Es gibt in der kaum etwas, das nicht schon von Künstlern gesagt oder getan wurde. Deswegen hätte eine solche Aktion bei uns vermutlich keine Konsequenzen…

Ist Rockmusik heutzutage noch politisch genug?
Jason: Es gibt im Moment nicht so viel. Aber es bräuchte mehr, weil wir in sehr prekären  Zeiten leben.

Wie würdet Ihr Euch fühlen, wenn man eure Songs für die laufende Wahlkampagne verwenden würde? Es hat einige Dispute zwischen den Musikern und insbesondere den Republikanern gegeben.
Conrad: Das kommt auf die Partei an. Ich glaube, mir würde es gefallen, wenn Obama einen unserer Songs verwenden würde.

Und wenn Mitt Romney Euch ins weiße Haus einladen würde?
Jason: Wir waren schon im Weißen Haus während Obamas Amtszeit.

Habt Ihr dort gespielt?
Jason: Nee, wir sind da nur rumgehangen.
Conrad: Wir haben mit seinem Hund gespielt.
Jason: Weißt du, das Ding ist, dass Mitt Romney Mormone ist. Darum glaube ich, dass er unsere Musik wahrscheinlich nicht mag.

Er mag die Killers …
Conrad: Aber die sind auch Mormonen. Oh meine Güte, ein Mormone im weißen Haus … Was kommt als Nächstes? Ein Scientologe?
Jason: Ich bevorzuge einen guten Christen. So wie Obama. Außerdem raucht der Weed.
Conrad: Ja, der hat bestimmt gekifft.
Jason: Oh, definitiv.

Aber, um noch einmal auf die Wahlkampagnen zu sprechen zu kommen …
Jason: Das Problem ist, dass hier Musik ohne Einwilligung verwendet wurde.
Conrad: Man darf keine Musik für Werbung ohne Einwilligung verwenden, und das ist genau das, was hier passiert ist. Man hat die Musik ohne das Einverständnis der Künstler verwendet.
Jason: Wir haben uns immer ausgesucht, was mit unserer Musik passiert.
Conrad: Künstler bestimmen schließlich auch darüber, was mit ihren Bildern passiert.
Jason: Wie zum Beispiel die Associated Press, die Shepard Fairy für sein Obama-Poster verklagt haben.

Weil es ursprünglich deren Foto gewesen ist.
Jason: Ja, und er hat es als Vorlage für sein Obama-Poster verwendet.

Das ist doch verrückt, schließlich hat er ein eigenständiges Werk daraus gemacht.Conrad: Ich weiß, es hängt in der National Portrait Gallery in Washington D.C.?
Jason: Vielleicht interessieren die sich einfach nicht so für Kunst?
Conrad: Aber er hätte sie trotzdem um Erlaubnis fragen sollen.
Jason: Er ist ein Krimineller, genau wie wir.
Conrad: Ich bin mal mit ihm rumgehangen, er ist ziemlich durchgedreht.

Was würdet Ihr tun, wenn Eure Musik niemanden interessieren würde?
Conrad: Wenn ich keine Musik machen würde, dann wäre ich Krisen-Berichterstatter geworden.
Jason: Ich würde Kokain verticken.

Conrad, Du schreibst auch gelegentlich auf Deinem Blog, hier und da erscheint ein Artikel von Dir. Ist das Schreiben bei Dir mehr als ein Hobby?
(Jason geht sich einen Prosecco bestellen.)
Conrad: Ich arbeite auch gerade an einem Buch, an einem Roman.

Wirst Du es auch illustrieren?
Conrad: Ja, die Illustrationen werden mit dem Album herausgegeben. Die Deluxe-Edition von „Lost Songs“ wird außerdem zwei Kapitel meines Buches enthalten.

Würdest Du sagen, dass die Texte der zentrale Punkt Deiner Arbeit sind? Ihr habt auch alle Lyrics für „Lost Songs“ vorab veröffentlicht.
Conrad: Für mich ist es sehr wichtig, für die Musik, aber auch für unser Leben. Warum sollte man das verstecken? (an den Barkeeper gewandt): Das sieht gut aus, kann ich auch ein Glas davon haben?

(Jason kommt zurück an den Tisch)

Jason: Ich glaube dieses ganze Konzept – einfach loszurocken, das ist ziemlich toll.
Conrad: Du hast ja nicht mal die Frage gehört, kommst einfach her und redest irgendwas drauflos.