Gastrkitiker Thomas Dolby


Alles neu macht der Mai – und bescherte uns ein Spitzen-Trio der besonderen Art, insofern jede der drei Platten einen völlig andersgearteten Musikstil beinhaltet: Platte des Monats wurde MAKING HISTORY des in London lebenden Reggae-Poeten Linton Kwesi Johnson; mit Jazz und Salsa plazierte sich Joe Jacksons BODY & SOUL auf dem zweiten Rang, gefolgt durch Gospel-Musik von Carmel, dem jungen britischen Trio mit der gleichnamigen Sängerin.

Inxs, eine hoffnungsvolle australische Band, belegte mit ihrer poppigen LP THE SWING den vierten Platz – vor Wang Chung, trotz des spanischen, pardon: chinesischen Namens eine durch und durch englische Kapelle.

Cris Rea, mit bodenständigen Rock-Songs und seinem Album WIRED TO THE MOON erreichte den sechsten Platz vor einem Triumvirat von musikalisch „moderneren“ Bands: Soft Cell, The Cars und dem englischen Trio Opposition.

Real Life, wie Inxs vom fünften Kontinent stammend, gewannen ihren Rang vor Ex-Grauzone-Sänger Stephan Eicher durch eine „Sechs“ von Peter Illmann. Prefab Sprouts intellektueller Pop rangiert unmittelbar vor Marillion, die weiterhin auf den Spuren der frühen Genesis wandeln. Ihr Album FUGAZI ist punktgleich mit SHOOK vom Rock-Oldtimer lan Matthews und IDENTITY von Zee, der neuen Band von Ex-Fashion-Mitglied David Harris und Ex-Pink Floyd-Keyboarder Rick Wright.

The Catchs LP BALANCE ON WIRES erreichte unsere Kritiker – in Form einer Schnellkopie – so spät, daß wir auf drei Wertungen verzichten mußten. Eine „Vier“ von Frank Laufenberg hievte das Debüt-Album schließlich auf den drittletzten Rang vor Missing Persons RHYME & REASON und Joy Riders TIRED OF PHONEY.

Thomas Dolby, Gastkritiker im Wonne-Monat Mai, bereitete uns viel Freude: Nicht nur, daß seine Kommentare witzig und – trotz überfülltem Terminkalender – pünktlich zur Stelle waren – nein, er hatte auch seinen Spaß daran: Die LP von Opposition gefiel ihm so gut, daß er die Band als Vorgruppe für seine anstehende Amerika-Tournee engagieren will.

Seine Kommentare im einzelnen:

Marillion: „Sollte man nur hören, nachdem man sich die Finger in die Ohren gesteckt hat. Gräßlich!“

Carmel: „Eine schöne, klassische Stimme über hypnotisierender Stammes-Musik. Carmels Musik mag nicht sehr kommerziell sein, verdient jedoch einen Treffer in den Charts.“

Joy Rider: „Der Bassist sollte den Rest der Band rausschmeißen, einschließlich der Sängerin, die ohne Rhythmus rappt und ohne Sex schmollt.“

Real Life: „Hirnloses Radio-Futter.“

Soft Cell: „Während sie früher die 80er Technologie benutzten, um den 60er Pop aufzufrischen (,Tainted Love‘), greifen Soft Cell diesmal auf die 70er Punk-Roots im Gefolge von Bands wie Velvet Underground und den MC 5 zurück. Die Texte sind bitter und kompliziert und haben nichts von dem Charme ihrer früheren Musik.“

Stefan Eicher: „Das ist gut! Er hat eine angenehme Stimme – und die Musik ist eine Art elektronischer Pub-Rock. Nicht gerade modern, aber das tut der Sache keinen Abbruch.“

Wang Chung: „Furchtbar, ekelerregend, widerlich – das sind die ersten Adjektive, die mir dazu einfallen. Ich hätte sogar noch andere auf Lager, glaube aber nicht, daß der ME sie abdrucken würde.

Opposition: „Diese Band könnte riesig werden, wenn auch nicht unbedingt mit diesem Album. Ich bevorzuge die eher persönlichen Songs wie z.B. ,Small Talk‘ – im Gegensatz zu den kommerzielleren Stücken, die ein wenig zu Police’artig sind. Doch der Sänger singt mit einer Leidenschaft, die Sting nie besessen hat.“

Joe Jackson: „Joes neues Album hat den Drive eines runderneuerten Autoreifens. Zu seinen besten Zeiten konnte er einen tief im Innern berühren; hier aber klingt er lediglich wie ein Spielverderber, der nicht will, daß irgendein anderer seinen Spaß hat. Er greift zwar auf Salsa-Musik zurück, doch ohne jede Energie. Da höre ich mir lieber Kid Creole an.“

Linton Kwesi Johnson: „Reggae geht zur Zeit durch eine schwierige Phase, aber diese LP ist nicht einmal so übel. Man muß halt in der richtigen Stimmung für politische und soziale Themen sein, obwohl die Musik selbst genug Power hat, um nicht langweilig zu werden.“

Schlüsselerlebnis:

Als ich mich das erste Mal im Radio hörte (im Supermarkt)

Lieblingstier:

Eine schwarze Katze namens Konrad

Bestes Konzert:

Prince im „Radio City“, New York

Vorliebe:

Navigation

Abneigung:

Die britische Musik-Presse

Sex-Symbole:

Marylin Monroe, Boy George

Musiker:

Jeff Beck (Gitarre), Aynsley Dunbar (Drums), Franz Schubert (Piano)

Musik:

Melancholischer Vokal-Jazz (Billy Holliday, Dan Hicks)

Maler:

David Hockney Schriftsteller:

Joseph Conrad, Ken Kesey

Bücher:

„Lanark“ von Alistar Gray, „Ulysses“ von James Joyce

Filme:

Metropolis, Zero de Conduite, Eraserhead, Diva, Nosferatu

Regisseur:

Alfred Hitchcock

Schauspielerin:

Greta Garbo

Schauspieler:

Peter Lorre

Früherer Beruf:

Assistent in einem Gemüse-Geschäft; Verkäufer für Hunde-Floh-Halsbänder in den Vorderen Orient

Hobby:

Segeln; würde liebend gerne an einer Trans-Atlantik-Regatta teilnehmen

Erste Single:

„Good Vibrations“ (Beach Boys)

Wichtigste Einflüsse:

Bela Bartok, Dave Brubeck, Joni Mitchell, Eno

Zeitgenossen, die du gerne treffen würdest:

Talking Heads

Musiker, mit denen du eine Platte machen würdest:

B 52s, Ennio Morricone

Größte Angst:

Daß mich die Muse nicht mehr küßt

Pläne für die nähere Zukunft:

Film-Soundtracks schreiben

Sammel-Objekte:

Miniaturen, Insekten

Historische Persönlichkeit:

Metternich

Bei welchem historischen Ereignis wärest du gerne dabei gewesen:

Bei der Russischen Revolution

Welche Kunstfertigkeit würdest du gerne beherrschen:

Fesselballon fliegen

Auto:

Daimler V8 250 (1966)