Iron Man


Iggy hat Dampf abgelassen -aber er setzt noch keinen Rost an: Der Eisenmann des Punk ist auf der Suche nach dem neuen Ich.

Mimami ist toll, wenn man nach neuneinhalb Stunden Flug endlich angekommen ist, die unfreundlichen Zollbeamten hinter sich gelassen hat und sich einmal auf das konzentrieren kann, was ein Westeuropäer in Florida erst mal macht: transpirieren. Schön schwül hier in South Beach, dem Amüsier- und Touri-Viertel Miamis. Drinnen « ist es angenehmer. Nicht nur, was die Temperatur angeht, auch sonst. Drinnen ist nämlich Jennifer, sie sitzt an der Rezeption des „I Hotel Astor“ und ist so ein All-American-Girl mit einem Zahnpasta-Lächeln, gegen das keine deutsche Zahnarztfrau anstinken kann. Jennifer klatscht einem übertriebene Freundlichkeit um die Ohren, und sie drischt eine hohle Phrase nach der anderen. Aber Jennifer ist sehr hübsch anzuschauen. Und schönen Menschen verzeiht man ja so ziemlich alles. „Room 308“,  dritter Stock rechts, sehr schön, da freut sich der müde Reisende, Fix die Normalitäten erledigt, und schon ist alles Art Deco. Wo man auch hinguckt, das Ambiente, das Interieur, die Deckenventilatoren aus Chrom, die um die Wette rotieren – alles ein einziger Augenschmaus. Der Morgen nach dem Abend davor. Unten in der Hotelhalle. Die Sessel sind plüschig, haben dezente Farben, und man kann sich herrlich in sie reinplumpsen lassen. Richtig fein. Und dann kommt er! Pünktlich. Iggy Pop (52) steht in der Schwingtür und ist, na klar, kleiner als man dachte. Aber sonst: alles wie bisher vorgestellt. Die Schnittlauchhaare, wie man sie kennt – naturbelassen.  Fallen rechts und links vom Kopf und längs des Gesichts runter wie gewachsen. Überhaupt das Gesicht: Schätzungsweise 15 bis 20 Jahre älter als der Rest des nach wie vor durchtrainierten Körpers. Ein Gesicht, in dem man jede Menge Geschichten, ein Maximum an erlebten Einzelheiten lesen kann. Begrüßung der versammelten Journalistenschar: „Hi guys, nice to meet you.“ Was sichtlich auf Gegenseitigkeit beruht, lggy macht artig eine Verbeugung in die Runde. „Okay, who’s first?“ Der Holländer. Cut zwei Stunden später, in einer Lounge des Hotels: Iggy Pop lümmelt sich auf einem Sofa, das den Dimensionen einer Stretch-Limo nicht viel nachsteht …

Schön, daß ich Ihnen einmal die Hand schütteln darf. Wie soll ich Sie anreden, Mr. Osterberg, Mr. Pop…?

Nenn mich einfach Iggy. Wenn du darauf bestehst, von mir aus auch Mr. Pop, ich werd‘ auf jeden Fall antworten. Nur nicht Mr. Osterberg, das ist privat.

Okay, Iggy: „Naughty Little Doggie , dein 96er Album, war wüst, rauh und ging schön schmissig zur Sache. Erst mal los, Hauptsache mit Karacho war die Devise. „Avenue B“, deine neue Platte (erscheint am 6. September), klingt ganz anders. Als erstes Stück gibt’s eine spoken word Performance und Sätze wie „it was in the winter of my 50th year, when it hit me, I was really alone“. Das Ganze klingt lakonisch, oft melancholisch und manchmal sogar depressiv. Was ist los, alles in Ordnung?

Na klar. Es gibt ’ne Menge depressive Musik, die ich mag, ich hab das immer schon als eine Seite von mir gesehen. Und jetzt bin ich halt längere Zeit in mich gegangen, hab‘ diese Musik in mir gesammelt und eine Platte gemacht, die ich schon längst mal machen wollte. Viele Journalisten waren überrascht, als sie das Ding zum ersten Mal gehört haben – ich nicht.

Viele Songs sind sehr reduziert, manche sogar simpel…

Stimmt. Aber alle sind handwerklich geschickt zusammengebaut. Vieles geht sogar in die Singer/Songwriter-Ecke. Naja, fast. Die meisten Songs könnte ich dir hier auf dem Sofa auf einer akustischen Gitarre vorspielen, und es würde sich nicht wesentlich anders anhören als auf Platte Andererseits sind da in manchen Intros auch diese orchestralen Sachen, diese Synthie-Streicher, die klingen wie die Ouvertüre einer Oper. Ist ja auch feine Musik, Klassik, sehr inspirierend…

Das klingt dann doch so, als sei Iggy Pop überrascht vom Ergebnis der eigenen Arbeit?

Okay, zugegeben: Es waren auf jeden Fall bei der Produktion ein paar Dinge dabei, die neu für mich waren. Und ich muß sagen: Ich bin sehr, sehr stolz auf diese Platte. Vielleicht ist das die ehrlichste, die ich je gemacht habe. He, Quatsch, eigentlich hasse ich solche Eüketten, das sollen andere entscheiden. Meine ehrlichste Platte – Jeee, who knows?

Wie kam es zu den spoken word performances – außer „No Shit“, der mit „in the winter of my 50th year“, gibt’s ja noch zwei andere zwischen den zehn Songs?

Die spoken word-parts sind mir innerhalb der Songs sehr wichtig, obwohl sie eher zufällig entstanden sind, wie eine Art Tagebuch. Das war eine Übung für mich, zu der ich mich gezwungen hab, so in dem Stil: Iggy, 52, schreibt an sich selbst wie er sich fühlt. Ich lebe jetzt drei Jahre allein, und ein Drittel dieser Zeit bin ich auch allein zu Hause. Ich hatte erst mal nicht vor, das überhaupt zu veröffentlichen oder es mit Musik zu kombinieren. Später hab‘ ich’s dann noch mal gelesen und entdeckt, daß da Wahrheit drin steckt und gemerkt – boom -(klatscht in die Hände), hey, ich kann das ja, das hat Vibes, vielleicht ist es interessant, das zu sprechen.

Iggy allein zu Haus – das bedeutet aber nicht, daß du vereinsamst?

Keine Spur. Es war eine sehr harte und produktive Zeit. Ich hatte das Gefühl, daß ich irgend etwas in meinem Leben tun und mit ein paar Dingen klarkommen mußte. Das ist ja nie ganz einfach, wenn du dir selbst ins Gesicht gucken mußt, aber irgendwann sind die alles entscheidenden Fragen einfach fällig: Wer bin ich? Wo war ich? Wo bin ich? Was lehne ich auf Teufel-komm-raus ab? Und vor allem: In welche Richtung will ich jetzt?

Du bist letztes Jahr nach Miami gezogen, hast dir hier ein Haus gekauft und bist vor sechs Monaten eingezogen. Warum ausgerechnet Miami, hat das für dich außer dem schönen Wetter Vorteile?

Sicher. Hier sind eine Menge Kubaner, die sich einen Dreck um mich scheren und nicht die Bohne von mir wissen, ich kann mich hier in bestimmten Vierteln ganz normal bewegen. Das gilt natürlich nicht für South Beach. Hier treib‘ ich mich normalerweise nicht rum – ein exhibitionistisches, touristisches und lustiges Viertel, das prima fürs Amüsement taugt. Aber halt auch ziemlich viele seltsame Gestalten, die mich nicht in Ruhe lassen. Außerdem ist Miami nicht weit weg von Südamerika, ich spreche ganz gut spanisch, und dann war mir natürlich wichtig, daß Miami irgendwie an einer Ecke von Amerika liegt. Ich möchte nicht länger wirklich in Amerika sein.

Das sind jetzt alles sehr praktische Gründe…

Es gibt noch andere, (dämpft die Stimme) Ich mag die Wolken, die hier so tief hängen, und vor allem mag ich die vielen Katzen, die hier überall rumstreunen. Ich warte bis Sonnenuntergang an irgendeinem der vielen Parkplätze in Strandnähe und dann siehst du sie: zehn, zwölf Katzen, mindestens. Ich sitze einfach da und gucke – Catspotting, you know?!

Verstehe. Wie sieht denn – abgesehen vom „Catspotting“ – ein ganz normaler Tag in Miami für dich aus?

Es gibt keine normalen Tage im Leben von Iggy Pop. Was es gibt, ist eine gewisse Routine. Im Moment sind wir zum Beispiel in einer drei-Tage-Routine: Montag, Dienstag, Mittwoch Interviews. In so einer Routine sehe ich manchmal müde aus und werde mißmutig. Gestern abend war ich mit einem Journalisten in einem Restaurant essen, heute verbringe ich den ganzen Tag mit Journalisten, und morgen und übermorgen läuft derselbe Film plus Foto-Shooting. Aber heute abend, da gehe ich mit jemandem aus, der sehr charmant ist – so gleicht sich das wieder aus. Ich muß darauf achten, daß ich die Balance halte.

Wie liegen die Unterschiede im Leben von Iggy Pop und James Osterberg?

Jee – als James Osterberg bin ich eher konservativ und kontrolliere meine eigene Existenz. Ein ganz wichtiger Unterschied: Ich mache zum Beispiel privat keine Rockshows. Wenn ich rocke, rocke ich, wenn man in Rom ist, benimmt man sich wie ein Römer.

Und wie benimmt sich ein Römer in Miami?

Vorbildlich, in jeder Hinsicht. Ich hänge nicht um drei Uhr morgens in irgendwelchen Clubs ab, und hechle auch nicht irgendwelchen Frauen hinterher, um an ihren Kleidchen zu schnüffeln. Ich trinke keinen Jägermeister, nehme kein Crack und schnupfe auch kein Kokain. Diese Abteilung in meinem Leben hat geschlossen, das ist vorbei. Ich versuche einfach zu leben und mich hier und da zu verbessern.

Etwas konkreter, bitte…

Ich lese. Man muß nicht unbedingt 10.000 Bücher lesen, man muß die richtigen lesen. Und man muß immer dran denken, daß Bücher die Freunde des Menschen sind. Wenn man das einmal kapiert hat und weiß, wie man das geschriebene Wort für sich nutzen kann, hat man Vorteile gegenüber anderen Menschen, die ihre Informationen nur aus billigen Medien haben.

Was sind denn in letzter Zeit deine Favoriten?

Vor allem Klassiker, die ganze Palette: Dickens, Voltaire, Hugo, Marquis de Sade – da sind echt viele in der Luft.

Iggy Pop als Bücherwurm, das Ist doch mal was Neues. Das heißt aber jetzt nicht, daß du das Medium Fernsehen verteufelst – auch wenn du früher schon mal gesagt hast, daß die Leute durch das Fernsehen ihre Fähigkeit verlieren, ihr Leben wirklich zu leben?

Nein, aber es kommt immer darauf an, wie du ein Medium benutzt. Zuviel von irgendetwas, das geht immer irgendwann in die Hose. Wenn man ein Buch zu schnell liest und nichts daraus zieht oder ganz einfach Scheißbücher liest, ist das auch blöd. Aber mal abgesehen von Büchern: Ich hab‘ zu Hause alle möglichen Spielfilmkanäle, und ich bin Mitglied in einer sehr guten Videothek.

Das klingt jetzt alles reichlich unspektakulär und eben doch nach einem ganz normalen Leben…

Wenn du das unbedingt so sehen willst – aber was ist schon normal? Ich bleib‘ dabei: Es ist alles eine gewisse Routine, morgen eben wieder diese Interviews. Und bevor ich wieder hierher fahre und den Scheiß noch mal mache, gibt’s auch Routine. Ich werde sehr wahrscheinlich aufstehen, wie jeden Morgen. Ich werde mein Haus genießen, den Garten, werde mich auf die Terrasse setzen, ein bißchen in Kunstbüchern blättern, eventuell James Brown hören, ein paar Fitneßübungen machen und mir dann einen guten Kaffee kochen und ein Ei in die Pfanne hauen.

Jetzt sag‘ bloß, daß du auch noch kochst?

Selbstverständlich. Das gehört auch zu den Dingen, in denen ich mich verbessern will. Ich habe vier Lieblingsgerichte, die ich auch ganz gut drauf habe: Zwei davon sind Spaghetti-Variationen, und dann kann ich noch ein wirklich sehr, sehr leckeres Steak zubereiten, wenn’s gewünscht wird, auch mit Salat und Pommes Frites. Und ein sehr, sehr saftiges Lachssteak, das krieg‘ ich auch hin. Wenn ich daran zurückdenke, als ich mit dem Kochen angefangen habe – da gab es schon Opfer, Leute, die sich schnöde über mein Essen beklagt haben. Einer meinte sogar einmal, das Steak sei schlimmer als Schuhleder.

Sind da noch mehr verborgene Talente von Iggy Pop, von denen der Rest der Menschheit noch gar nichts weiß oder bisher viel zu wenig mitbekommen hat? Wie sieht’s aus mit Hausarbeit – Staubsaugen zum Beispiel?

Das hab ich längere Zeit nicht mehr gemacht. Außerdem hab ich eine Putzfrau, die das Gröbste aus dem Weg räumt. Ich hab‘ ja schon vor Jahren öffentlich zugegeben, daß ich eine Staubsauger-Phase hatte. Ich hab‘ sehr gut gestaubsaugt und es da auch zu einer gewissen Meisterschaft gebracht. Doch diese Phase ist abgeschlossen, genau wie Picasso seine „Blaue Phase“ irgendwann abgeschlossen hat. Jetzt bin ich in einer kreativeren Phase, dem Kochen eben.

Früher hast du auch Golf gespielt – übst du diesen Sport noch aktiv aus?

Um ehrlich zu sein, nur noch selten. Und wenn, dann nur mit meinem Dad. Der ist jetzt 78 und noch ganz gut in Schuß. Golf spielen wird allerdings heutzutage immer schwieriger, weil man auf vielen Plätzen nur noch mit diesen Elektrokarren durch die Gegend fahren kann. Und das ist ziemlich scheiße. Elektrokarren sind nämlich kontraproduktiv. Ich bin nun wirklich jemand, der in seinem Leben allen möglichen Ärger gehabt hat, und ich finde laufen sehr wichtig. Die Gedanken, die dir durch den Kopf gehen, wenn du läufst, sind eine prima Sache. Es ist ein menschliches Grundbedürfnis, selbst in Bewegung zu bleiben. Mein Dad und ich laufen jedenfalls, wenn wir golfen.

Daß du überhaupt Golf spielst, ist dir ja jahrelang zum Vorwurf gemacht worden, von wegen: Was ein richtiger Rockstar ist, hat für diesen versnobbten Sport nichts übrig…

Den Vorwurf hab‘ ich natürlich verstanden, und weil er nun schon mal da war, hab‘ ich ihn auch gemocht. Ist doch ulkig, wenn du genau das tust, was dem Lifestyle, den du angeblich haben sollst, vermeintlich wider- spricht. Obwohl ich es von vornherein gar nicht darauf angelegt habe. Ich habe schon lange vor der Zeit, als ich zu Iggy Pop wurde, Golf gespielt.

Wie kam’s dazu?

Ganz einfach: Direkt neben dem Wohnwagenpark, in dem ich groß geworden bin, haben sie irgendwann einen Golfplatz gebaut. Ich war ein Teenager und war neugierig – das ist schon die ganze Geschichte. Dieser sportive Aspekt, das Ehrgeiz-Ding mit Handicap und so, das hat mich nie interessiert.

Noch einmal zurück zu deinem Privatleben hier in Miami. Du hast vorhin gesagt, daß du dich nicht mehr in Clubs rumtreibst. Was macht du, wenn du ausgehst?

Nachmittags geh‘ ich gerne an den Strand. Natürlich nur an einen, an dem man mich erst mal in Ruhe läßt. Ich schwimme eine Runde, leg‘ mich dann in den Sand, beobachte, gucke mich um, beobachte wieder – und manchmal hab‘ ich dann social Company for the evening, und manchmal eben nicht. Und abends geh‘ ich immer noch gerne auf Konzerte.

Als ganz normaler Zuschauer?

Fast. Okay, sie erkennen mich meistens am Eingang und lassen mich durch, ohne daß ich bezahlen muß. Aber ich geh‘ nicht hintenrum rein, sondern benutze den normalen Eingang, und ich seh‘ ein Konzert auch ganz normal aus dem Publikum. Ich nehme Privilegien, die ich genießen könnte, oft nicht wahr. Wenn ich das tun würde, gingen mir ziemlich schnell die Realitäten flöten, und der nächste Schritt wäre ganz schnell, daß ich glaube, richtige Kunst zu machen. Und dann wäre mein Leben nicht mehr wirklich groovy.

Du besuchst nicht nur Konzerte, manchmal spielst du auch selbst Gigs an Orten, wo man dich nicht unbedingt vermutet. Im „Stern“, einem deutschen Magazin, gab’s letztens ein Foto von Iggy Pop auf dem Catwalk, Hand in Hand mit Donatella Versace. Wie um Himmels willen kam’s dazu?

Ganz einfach: Die haben mich angerufen und gefragt, ob ich auf einer ihrer Modenschauen zwischendurch ein paar Songs spiele. Ich dachte mir, fuck you, für eine einmalige Geschichte ist das eine gute Idee, Iggy Pop bei einer Versace-Präsentation. Ich geh‘ auch selber ab und zu auf Modenschauen – ich finde, das ist eine weitere Form von moderner Unterhaltung, genauso wie Filme, Konzerte und Raves. Man sollte sowas nicht ignorieren, aber auch keinen big fucking deal draus machen.

So ein kleines bißchen anders als ein Rave ist so eine Designer-Schneider-Show aber schon, oder?

Zugegeben, die Leute, die da am Set abhängen, sind nicht unbedingt mein Fall, aber die Show war auf ihre Art echt gut, und ich hab‘ es als eine Chance gesehen, da einmal zu spielen. Ich hab‘ die Veranstaltung ein bißchen aufgepeppt – schließlich bin ich keiner dieser schnarch- langweiligen Rockstars, die sonst auf Modenschauen spielen. Jedenfalls waren sie professionelle und gute Arbeitgeber, und ich hab’s als eine Ehre angesehen, daß Donatella mich an die Hand genommen und mit mir diese Runde gedreht hat.

Hast du wenigstens ein paar Klamotten abgestaubt?

Sag‘ ich doch: Ich nehme Privilegien, die ich haben könnte, oft nicht wahr. Okay, ich bin für den Job bezahlt worden, und ich habe hinter- her für ein paar Freundinnen etwas gekauft.

Wo wir gerade beim Thema sind: Was war die beste Sache, für die du im letzten Jahr Geld ausgegeben hast?

Keine Frage: Mein Cadillac Sedan deville, ein Cabrio, Baujahr 68, knallrot mit weißem Verdeck. Das Ding ist wirklich phantastisch, wenn ich damit durch die Gegend cruise ist es so, als wäre ich mit einem dicken „fuck you“-Schild unterwegs. Really, I loooooove it. Und die Leute am Straßenrand mögen es auch. Ich krieg‘ andauernd Angebote, die Karre für den zwei- bis dreifachen Preis wieder zu verkaufen. Du kannst dir sicher vorstellen, daß ich das natürlich nicht mache. Ich hab‘ ein sehr stilvolles Auto, und den dazu nötigen Führerschein hab‘ ich auch immer noch. Was will man mehr…?

…vielleicht noch einmal nach Berlin? Immerhin hast du da in den 70ern mit Bowie eine sehr intensive und produktive Zeit erlebt. Was ist deine stärkste Erinnerung daran?

Erst mal schönen Dank, daß du mich noch mal dran erinnerst, (lächelt gequält) Es gibt nicht viele Journalisten, die das tun. Aber mal ernsthaft: Meine stärkste Erinnerung ist die an einen ziemlich schrägen Typen, ich nenne ihn den „brutal phonebox locker“. Ich stand in einer Telefonzelle, und der Bursche hat mich mir-nix-dir-nix mit einem Vorhängeschloß eingeschlossen. Aber wie du siehst: Irgendwie muß ich wieder rausgekommen sein.

Was stehst du dazu, daß Berlin keine geteilte Stadt mehr ist?

Das geht okay. Ich hatte auch im neuen Berlin schon ein Erlebnis, das mir sehr gefallen hat – und zwar dieses big fucking stage-diving, das ich bei einem Konzert gemacht habe. Da bin ich voll in einen Skinhead reingeknallt, der eine echt harte Stirn hatte. Ich hab‘ erst mitten im nächsten Song gemerkt, daß ich blute wie blöd. Doch, das hat mir sehr gefallen. Scheiße war bloß, daß die Zeitungen am nächsten Tag geschrieben haben, es wäre Kunstblut! Ich hab‘ natürlich sofort einen Brief geschrieben: „Laßt es die Leser wissen, daß es echtes Blut war, das Blut von Iggy Pop –  es war schließlich keine Alice Cooper-Show…

Du hast einmal von dir gesagt, daß du dich für einen unfertigen, unkompletten Menschen hälst und daß du diese Vorstellung magst. Gilt das noch?

Oh ja, ich mag diese Vorstellung sehr.