Lou Reed: „“Wen interessiert schon, wie ich aussehe?“


Was gehört denn nun zu einem Pop-Star? Vielleicht ist es seine Ausstrahlungskraft. Spielt auch sein Aussehen eine Rolle? Das ist ein Punkt, der für Lou Reed problematisch werden könnte. Wer weiss schon, wie die deutschen Popmusik-Freaks auf jemanden reagieren, der sich und seine Musik mit Make-up und lackierten Fingernägeln präsentiert? Diese Fragen dringen sich auf, wenn man an eine der grossen Persönlichkeiten aus der New Yorker Showbusiness-Szene denkt. Lou Reed wurde unversehens zum Ausgangspunkt eines neues Trends, der durch David Bowle und Alice Cooper bisher wohl am erfolgreichsten in die Öffentlichkeit getragen wurde. Doch von einem Vergleich mit Bowie will er nichts wissen: „Davids Image wird ziemlich geprägt durch die Show, die er auf der Bühne abzieht. Ich versuche einfach gute Rock-Musik unter die Leute zu bringen. Nur um das eine oder das andere zu akzentuieren, trage ich auch auf der Bühne Make-up.“ Lassen wir seine musikalischen Qualitäten noch für einen Augenblick ausser Betracht, denn für viele Leser wird Lou’s Vergangenheit genauso fremd sein wie seine Bemalung.

VELVET UNDERGROUND

Bevor er seine musikalische Karriere mit der ruhmreichen New Yorker Band ‚The Velvet Underground‘ startete, besuchte Lou Reed eine Journalistenschule. Bald schon sattelte er jedoch über auf eine Schauspieler-Schule, wo man ihn nach kurzer Zeit bereits den ‚zweiten Direktor‘ nannte. Dieser Ruf verschaffte ihm ungeahnte Möglichkeiten, die er voll zu nutzen wusste. Durch Andy Warhol, den Pop-Artisten, der für die verrücktesten Sachen zu haben ist, lernte Lou ein paar Leute kennen, in deren Lebensgemeinschaft er sehr schnell aufgenommen wurde. Hier wurde ‚Velvet Underground‘ aus der Taufe gehoben. Die ersten Auftritte fanden in der ‚Factory‘ statt, einem Gebäude, in der viele von Andys Ideen in die Tat umgesetzt wurden. Die Band mit dem weiblichen Drummer Maureen Tucker und Sängerin Nico machte einen enormen Eindruck auf die New Yorker ’scene‘. Die ersten LP’s kamen heraus, und es dauerte nicht lange, bis die Band es endgültig geschafft hatte. Das beinahe Unvermeidliche war auch für Velvet Undergrund unvermeidlich: Die Gruppe löste sich auf. Es fing an zu bröckeln, als John Cale sich absetzte. Als Nico, die Sängerin dann noch ging, machte sich Lou Reed ebenfalls aus dem Staub. Die Überbleibsel wagten sich trotzdem noch für ein paar Konzerte nach Europa. Sie nannten sich immer noch Velvet Underground, aber was würde man sagen, wenn Ringo ein paar Typen aufreisst und seine Band dann ‚The Beatles‘ nennt.

MAKE-UP

Lou Reed klemmte sich sofort hinter seine Solo-Karriere. Das erste Solo-Album mit seinem Namen als Titel bekam unheimlich gute Kritiken und erreichte beachtliche Umsätze. In England, wo Lou die LP aufgenommen hatte, schoss David Bowie gerade wie eine Rakete in den Superstar-Himmel. Die beiden harmonierten nicht nur musikalisch miteinander – sehr schnell entstand zwischen ihnen auch eine intime Freundschaft. Bowie machte aus seiner Begeisterung für Lou keinen Hehl. Er bot ihm an, seine zweite LP zu produzieren. Vor kurzem war es dann soweit. ‚Transformer‘, Lou Reeds neues Album, kam auf den Markt. Wir haben es in der vorigen ME-Ausgabe bereits angetestet (longplaylook)! Zu dem Titel ‚Make-up‘, der auf eben dieser Platte erschienen ist, sagt Lou: „Diesen Song hab‘ ich mit Absicht ins Album reingenommen. Es geht im Text um zwei Cousinen, die sich schönmachen, bevor sie abends ausgehen. Ich weiss schliesslich aus eigener Erfahrung, welche Probleme dabei auftauchen. Mir ist es übrigens vollkommen egal, was die Presse über mich schreibt. Wen Interessiert schon, wie ich aussehe? Es geht ausschliesslich um die Musik, die ich mache…