Marcy Playground


SO KANN’S GEHEN: DU BIST 27, wohnst in New York und schreibst einen Hit, freust dich auf eine Tour um die ganze Welt… und mußt nach Baden-Baden. Als wäre das nicht schlimm genug, trittst du mit deiner Band auch noch in einem Fernsehstudio auf, das so viel Konzert-Atmosphäre besitzt wie eine preußische Exerzierstube. Und spielst vor einem Publikum, das offenbar kurz vor Beginn deines Gigs am Hallenboden festgenagelt wurde, um den beiden Kameras nicht im Weg zu stehen, die samt Kameramännern und Kabelträgern wie fiese Godzillas vor der Bühne stehen und dich praktisch in den toten Winkel deines Publikums stellen. Bedenkt man die Rahmenbedingungen für die deutsche Live-Premiere von Marcy Playground, dann war es ein ganz gutes Konzert. Vielleicht kam auch nur der Hit zu spät – „Sex And Candy“ stand erst an zehnter Stelle auf der Set-Liste und ließ dann sogar manch badischen Fußwipper und Taktnicker mitklatschen („Selles Lied kenn I au!“). Mehr Stimmung war nicht. Diesem einen Lied hat die Band ihre Karriere zu verdanken – wie ehedem bei R.E.M. oder Pearl Jam hat die Heavy Rotation von „Sex And Candy“ im amerikanischen College Radio dafür gesorgt, daß die drei Jungs für ihr Debüt in den Staaten gleich Platin kassiert haben und nun auch halb Baden-Baden mitsingen kann. Der Rest der Platte – und damit auch der Show – ist nett, aber gezwungenermaßen unspektakulär. Spannend sind vor allem die ungewöhnlichen Töne, die Sänger und Gitarrist John Wozniak bisweilen seiner uralten Westerngitarre entlockt. Und seine hübschen Texte. Wozniak ist vom Typ „verstört-aber-aufrichtig“ und erklärt bei jeder Gelegenheit, daß er sich als kleinerJungeinden Pausen nie auf den Schulhof (den Marcy Playground) getraut habe, aus Angst, dort von bösen Jungs verdroschen zu werden. Lieber sei er also im sicheren Klassenzimmer geblieben, habe zum Fenster rausgeschaut und sich Geschichten ausgedacht. Geschichten, aus denen Lieder geworden sind. Klar, was dabei rauskommt, wenn sich ein kleiner, dicker Schuljunge die IMase an der Fensterscheibe plattdrückt: Er träumt von Sex und Süßigkeiten – und vergleicht hübsche Mädchen mit einem „double cherry pie“. Naja. Für solche Vergleiche kriegt man eben von seinen Schulkameraden eins auf die Fresse. Oder muß in Baden-Baden auftreten, wo Zuschauer nach einem Konzert versonnen murmeln:“Der Sänger isch ein richtiger Schtoryteller.“ Beides ist bitter.