Michael Jackson: Jacko als Werwolf


MICHAEL JACKSON liefert den ersten MTV-Klassiker.

Nicht, dass man ihn unterschätzt hätte. Aber es war auch nicht unbedingt damit zu rechnen, dass sich ausgerechnet Michael Jackson, der 25-jährige Benjamin der Jackson Five, mit dem Soloalbum „Thriller“ 1983 zum unbestrittenen „King Of Pop“ aufschwingen würde. Und dass er nach Megahits wie „Billy Jean“, „The Girl Is Mine“ und „Beat It“, die schon das ganze Jahr über die Airwaves beherrscht hatten, im November noch eins draufsetzen und den ersten echten „Thriller“, das erste epochale Meisterwerk des Videozeitalters liefern würde dass war schlicht sensationell. Und einer der seltenen Momente, wo das Pop-Publikum über alle Stilgrenzen hinweg einträchtig in staunender Faszination verharrte.

Verantwortlich für die visuelle Umsetzung von „Thriller“ ist Regisseur John Landis, der zuvor schon mit einschlägigen Werken a´la „An American Werewolf in London“ reüssiert hatte. Jacksons Plattenfirma stellt dem Horror-Experten für die Dreharbeiten des Clips mit 500.000 Dollar eine für damalige Verhältnisse unerhörte Summe zur Verfügung. Am Ende schlagen gar 1,1 Millionen Dollar zu Buche, denn Jackson und Landis kleckern nicht, sie klotzen. „Thriller“, als Albumtrack immerhin knapp sechs Minuten lang, bringt es als Videoclip locker auf mehr als die doppelte Länge. 14 Minuten dauert das Mini-Movie bei seiner Premiere am 21. November in den Kinos von Los Angeles; dort wird er als Vorfilm zu Walt Disneys „Fantasia“ gezeigt. Bevor die eigentliche Musik startet, inszeniert Landis eine Spielhandlung: Jacko trifft sich zum abendlichen Rendezvouz mit seiner Angebeten. Man spaziert durch die nächtliche Stadt, später durch einen Park. Und dort kommt es zum gruseligen Tete-ä-Tete. Urplötzlich wächst Jackson büschelweise Haar auf Händen und Gesicht, unter offenbar schrecklichen Schmerzen krümmt er sich am Boden. Fassungslos sieht seine Filmpartnerin der schockierenden Verwandlung zu. Was folgt ist ein operettenhaftes Werwolf-Inferno, dargestellt in phantastisch choreografierten Tanzszenen unter professioneller Hollywood-Maskerade.

In jenen Tagen sind phantasielos abgefilmte Bühnenauftritte noch der Standard in Videoclips. Spätestens nach „Thriller“ ist das jedoch anders. Zumal sich der 1981 auf Sendung gegangene Clip-Kanal MTV auf breiter Front durchsetzt und die alte Buggles-Prophezeiung von „Video Killed The Radio Star“ weltweit erfüllt. Die kleinen Filmchen sind Mitte der 80er Jahre längst zur beherrschenden Präsentationsform von Popsongs geworden. Und Michael Jackson ist durch den sagenhaften Erfolg seines „Thriller“-Albums – bis heute wurden davon mehr als 40 Millionen Exemplare weltweit verkauft – zum „ersten Superstar des globalen Dorfes“ geworden, wie es das „Rock Lexikon“ formulierte. Der ist er bis heute geblieben – die künstlerische Relevanz von“Thriller“ konnte er jedoch nie wieder erreichen, Peter Pan ist heute ein schrulliger Multimillionär.