Kritik

„Milla Meets Moses“: Furioses Regiedebüt aus Australien (Kritik)


Wenn die erste Liebe garantiert auch die letzte ist: Shannon Murphys Debüt ist wunderbar widerspenstig geraten. Eine Feier des Lebens im Angesicht des Todes, als hätte Jane Campion Sturm und Drang für sich entdeckt.

Wenn das Kino vom Sterben erzählt, ist es dem Leben so nah, wie es Bilder auf einer Leinwand nur sein können. Die Australierin Shannon Murphy unterstreicht das in ihrem Debüt, das wunderbar sperrig und widerspenstig geraten ist: eine Feier des Lebens im Angesicht des Todes, als hätte Jane Campion den Sturm und Drang für sich entdeckt.

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Dieses bescheuerte Herz

„Übelkeit“, „Schlaflosigkeit“ oder „Scheiß drauf“ sind die einzelnen Kapitel überschrieben, was den eher kämpferischen und unkonventionellen Ansatz unterstreicht, mit dem der Film die Sache angeht: Hier werden keine heroischen Kämpfe ausgefochten, niemand will sich hier letzte Wünsche erfüllen. Hier geht es einfach nur um jeden einzelnen Tag, der so oder so kommt, ob die 16-jährige Milla ihn nun erlebt oder nicht: Für sie zählt, überhaupt zu erleben, erstmals zu lieben. Lange schon lebt sie im Schatten der Gewissheit, dass ihre Krebserkrankung für ihr frühzeitiges Ableben sorgen wird.

Zu Beginn des Films sehen wir sie, wie sie auf einem Bahnsteig steht und sich wie von einem unsichtbaren Seil gezogen den Schienen nähert, als ein Zug einfährt. In diesem Moment rempelt Moses in ihr Leben, buchstäblich, ein 23-jähriger Junge, ungewaschen, ungepflegt, rattenartiger Pferdeschwanz, Gesichtstattoo. Ein Junkie, wie er im Buche steht, aber ausgerechnet der Kerl, der Milla den Atem raubt – und sie ihm, auch wenn unklar ist, ob er die Situation nicht einfach ausnutzt, wie es Millas geschockte Eltern befürchten.

In diesem frühen Abschnitt ist „Milla Meets Moses“ am konventionellsten, am durchschaubarsten, ein „Rate mal, wer zum Essen kommt“. Dann aber geht der Film wundersame Wege, weil die Konfrontationen auch offenbaren, wie ähnlich sich die Figuren sind, wie sehr die Situation sie belastet und in die Isolation zwängt. Und dann kommt die allerletzte Szene, ein Rückblick. Sie zerreißt einem das Herz, weil sie das Gesehene noch einmal in ein ganz neues Licht rückt und sagt: Love is all there is. Auch wenn es nicht immer gut ausgehen mag.

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„Milla Meets Moses“ von Shannon Murphy mit Eliza Scanlen, Toby Wallace und Ben Mendelsohn startet am 8. Oktober im Kino.