Nach einem kreativen Tief und Schwierigkeiten innerhalb der Band kehren Therapy mit erstarktem Selbstbewußtsein zurück


Nimmt man die Presseerklärung der amerikanischen Plattenfirma für allzu bare Münze, müßte man vor Ehrfurcht geradezu erzittern. Doch die zweiköpfige Therapy-Führungsriege, die sich laut Info vor ungefähr acht Jahren auf der Basis von „Lärm, Chaos und Massenhysterie“ formierte, entpuppt sich im Gespräch als sympathisch, gut gelaunt und mitteilsam. „Dieser Unsinn mit den drei Maximen geht auf das Konto unseres US-Labels“,grinst Andy Cairns durch den Nebel seiner Cauloise. „Man hat einfach keinen Einfluß darauf, was die Leute so über einen schreiben. Aber es ist immer wieder interessant“. Insbesondere für eine Band wie Therapy, die mit einer Symbiose aus bitteren Lyrics und bombastischen Gitarrenriffs oft genug die dunklen Abgründe der eigenen Seele aufdeckte. Doch die Tage betäubender Depression gehören für Sänger Andy und Bassist Michael McKeegan mittlerweile der Vergangenheit an. „Wir drehen auch keine schockierenden Videos mehr, wie wir das beispielsweise für ‚Teethgrinder‘ gemacht haben. Damals lösten die entstellten Menschen, die wir in dem Video gezeigt haben, bei manchen einen regelrechten Schock aus. Heute sind die Leute solchen Sachen gegenüber eher abgehärtet. Jede zweite Band zeigt doch mittlerweile Brutalität und Haß in ihren Videos. Beinahe so, als wäre das etwas Alltägliches.“ Beinahe reumütig klingen diese Erkenntnisse aus Andy Cairns Mund. Dabei hat er heute allen Grund, mit sich und der Welt zufrieden zu sein. Ganz anders als 1995, als der kräftezehrende Tourstress nach und nach alle Therapy-Mitglieder in die Knie gezwungen hatte. Schlagzeuger Fyfe Ewing verließ Therapy 1996, als die schäumenden Wogen um den allzu intensiven Rock’n’Roll-Lifestyle der Band eben abgeebbt waren. „Fyfe hatte eigentlich seit Beginn unserer Karriere Probleme mit den pausenlosen Auftritten. Irgendwann machte er sich ernsthaft Sorgen um seine Gesundheit“, erinnert sich Michael McKeegan.“Natürlich zieht die fehlende Motivation eines Bandmitglieds auch den Rest mental in eine Krise. Ich bin froh, daß er die Trennung dann selbst vorgeschlagen hat.‘ Es kam also zu keinem Eklat? „Auf keinen Fall. Es ist nicht unser Stil, jemanden mit einem ‚Fuck You‘ rauszukicken.“ Ersatz für Ewing war schnell gefunden. Zudem gewann die Band mit Martin Mc-Carrick, ihrem vormaligen Tourgitarristen, ein weiteres Mitglied hinzu. Dennoch lagen Kreativität und Inspiration weiterhin auf Eis gelegt. Was ausschlaggebend dafür war, daß sich die Arbeit am neuen Album („Semi-Detached“) über zwei Jahre hinzog. Michael McKeegan: „Wir waren gerade mal einen Monat als Band neu zusammen. Es wäre Wahnsinn gewesen, zu einem solchen Zeitpunkt eine neue Platte aufzunehmen. Wir mußten erst mal zusammenwachsen.“Jetzt markiert „Semi-Detached“den Neubeginn von Therapy. Doch dieser Tatsache blickt die Band gelassen entgegen. „‚Semi-Detached‘ ist nicht das beste Therapy-Album“, meinen Andy Cairns und Michael McKeegan ebenso überraschend wie unisono, „es ist schlichtweg das Resultat der Dinge, die uns in den letzten zwei Jahren beschäftigt haben, und das ist auch besser so. Denn hat eine Band einmal ihren Höhepunkt erreicht, sollte sie sich auflösen.“