Nie gehörte Klänge


Hot Chip wollen Elektropop machen, der allen gefällt. Experimente können sie sich trotzdem nicht verkneifen. Oder umgekehrt...

DJ-Mixe sind eine gute Erfindung. Sie geben Musikern Gelegenheit, ihre Lieblingssongs vorzustellen. Daraus lässt sich schließen, wie die Musiker funktionieren, was sie antreibt. Hot Chip haben gerade einen Mix für die „DJ Kicks“-Reihe des Berliner Labels K7 zusammengestellt. Die Auswahl ist interessant, weil sie gToße Unterschiede in den Hörgewohnheiten der fünf Londoner Elektronikbastleroffenbart. „Felix und AI hören vielMinimal-Techno, was Alexis manchmal auf die Palme bringt. Er mag Prince und AI Green. Owen hört meist Pop aus den 8oern, erhatfiirden Mixzum Beispiel was von Joe Jackson ausgewählt. Ich bin oft der Mittler, weil ich weder mitTechno noch mit Prince Probleme habe“, sagt Joe Goddard, eine der zentralen Figuren von Hot Chip.

Natürlich muss es auch etwas geben, auf das sich die fünf einigen können, sonst würde die Band nicht funktionieren. Goddard sagt, das Songschreiben bereite keine Probleme, weil er und Alexis Taylor die Ideen allein am Computer entwickeln. Zwischen ihnen herrsche blindes Verständnis, sie kennen sich seit dem 13. Lebensjahr. Wenn Owen Clarke, Felix Martin und AI Doyle hinzukommen und die Liveversionen der Stücke entstehen, könne es schon mal zu Konflikten kommen. In einem seien sich aber alle immer einig: „Im Unterschied zu go Prozent der aktuellen Bands sind unsere Vorbilder nichtWire und Gang OfFour. Wir nehmen lieber Brian Eno oder Devo als Ausgangspunkt und fragen uns, wie man daraus ungewöhnliche, auf seltsame Weise eingängige Popmusik machen kann.“ Das gelang Hot Chip mit „And I Was A Boy From School“ und „Over And Over“ bestens: Die Songs haben eine klare Melodie, gleichzeitig aber knirscht und knackt es im Klanggebälk. „Robert Wyatthatin einem Interview gesagt, erhübe mal Musik mit einem kaputten Piano aufgenommen, gerade weil es nicht mehr in ordnungsgemäßem Zustand war.Das ist bei uns ähnlich. Wir wollen Klängefinden und nutzen, die man noch nie gehört hat, und daraus Pop mit experimenteller Note machen. Pop und Avantgarde zusammenzubringen und damit Erfolg zu haben, ist das größte Glück, das ich mir als Musiker vorstellen kann.“

Goddard hebt sich angenehm von anderen Musikern ab, die unvorbereitet in Interviews gehen, ständig mit „Ich weiß nicht“ antworten, dann laut zu überlegen anfangen, ohne letztendlich etwas zu sagen. Er ist in der Lage, die Dinge klar und theoretisch fundiert zu benennen. Ein Grund dafürkönnte sein, dass er vor drei Jahren mehrere Monate lang für die Musikindustrie tätig war, in der A&R-Abteilung von Island Records. Diese Erfahrung schützt ihn jetzt jedoch nicht vor Drucksituationen, denen man als Musiker ausgesetzt ist, sobald ein gewisses Maß an öffentlicher Akzeptanz vorhanden ist. „Wir reden uns gerade ein, dass es jetzt vielleicht besser wäre, die Lust auf Experimente zu zügeln undmehr, Over AndOvers‘ abzuliefern.Das macht die Arbeit am neuen Album nicht gerade leichter. „Wenn alles gut läuft, ist der Nachfolger von the warning Ende Juni trotzdem fertig.>» www.hotchip.co.uk