Onkel David singt und erzählt von früher


Ein Prinz und seine Jecken: David Hasselhoff hat am Sonntag an der Berliner East Side Gallery protestiert. Für den Erhalt des Mauerteilstücks interessierten sich Tausende Schaulustige nicht. Ein kommentierender Nachbericht.

Und plötzlich saß dieser viel zu große Mann in diesem viel zu kleinem Partybunker. David Hasselhoff ist nach Berlin gekommen, er möchte gegen den angeblichen Abriss der East Side Gallery protestieren. Vor ein paar Tagen habe er über einen seiner Google Alerts erfahren, was in Berlin los sei, und prompt einen seiner Mitarbeiter angewiesen, sich da mal zu melden. The Hoff nämlich hatte die fixe Idee, den Berlinern zu helfen, er twitterte das, und wer wären die Initiatoren von „Mediaspree versenken“, wenn sie sich diesen Hype entgehen ließen.

David Hasselhoff kam tatsächlich, und mit ihm die Eventtouristen.

Drinnen, im Yaam-Club am Friedrichshainer Spreeufer, in dem sonst Reggaeparties bis zum Mittag laufen und die Pressevertreter am Sonntag um 13 Uhr deshalb mit „Guten Morgen“ begrüßt werden, erzählt also David Hasselhoff von früher. Wie oft er als Sänger im Osten war, Leipzig, Gera und so weiter, dass er als „der Mann, der mit dem Auto spricht“ quasi in der halben Sowjetunion Freigang hatte. Wie er am Checkpoint Charlie zwei Mädchen traf, die ein Foto mit ihm machten, er das später der Presse gab und es am Tag darauf auf der Titelseite der Zeitung gelandet war. Wie er seitdem über 20-mal in der Stadt war, und wie er seinen beiden Töchtern zuletzt erklärte, was es mit der Berliner Mauer auf sich hat. Dass die Stasi eine Akte von ihm hatte. Wie ihn die Fans bei seinen Konzerten für den Mauerfall dankten. Vor allem aber: Wie das war, damals, 1989, als er Silvester tatsächlich an der (schon gefallenen) Mauer singen durfte, obwohl das eigentlich ein Scherz von ihm gewesen sei, ebendort auftreten zu wollen. Helmut Kohl und Erich Honecker aber hätten seinen Wunsch abgenickt, und so entstanden die legendären Bilder eines Sängers, der am Höhepunkt seiner musikalischen Karriere auf den Mauerresten des Brandenburger Tors stand, eine mit Leuchtdioden verzierte Lederjacke und einen Pianoschal trug, seinen Hit „Looking For Freedom“ sang und Ost und West darin vereinte. Die Berliner und die Weltpresse, Tagesspiegel, ap, Reuters, Bild-Zeitung, alle hörten sie gebannt dem 60-Jährigen bei seinen teilweise bemühten Anekdoten zu, die sie später weitererzählen würden. Es war ein bisschen wie früher, nur anders.

Dass The Hoff die Berliner Mauer niedersang, war bloß ein Witz, der sich verselbstständigte

David Hasselhoff ist nicht mehr der Star, der er mal war. Er lebt von seiner Vergangenheit, von seiner Rolle als Michael Knight in „Knight Rider“ und der als Rettungsschwimmer Mitch Buchannon in „Baywatch“. In Deutschland auch von eben jenem Hit „Looking For Freedom“. Den wollen sie hören, das weiß er. Das ist über 20 Jahre her. Das ist für alle Seiten Fluch und Segen. Hasselhoff verdankt dem so etwas wie „Starrummel“, obwohl viele nur über ihn lachen wollen. Er stellt auf Nachfrage und fast widersprüchlich zu seinen vorherigen Aussagen noch richtig, dass er mit dem Mauerfall nichts zu tun gehabt habe, das sei bloß ein Witz gewesen, der sich verselbstständigte. Die Mediaspree-Gegner bitten die Journalisten, die Problematik doch auch weiter zu beobachten, wenn The Hoff wieder abgereist sein würde. Ein paar Fotos, klick klick, ein paar Anekdoten („Mist, den Schal von früher hat er zuhause vergessen! Ja, die Jacke funktioniert noch!“), und raus an die Spree, zum als friedliche Demonstration angekündigten Mauerspaziergang.

Draußen, an der Spree, rund um die Mauerreste der East Side Gallery, warten sie schon, die Eventtouristen. Hunderte, vielleicht Tausende, die wegen The Hoff und dem guten Wetter kommen, nicht aber aus Protest gegen die geplante Bebauung des Spreeufers zwischen Oberbaumbrücke und Ostbahnhof. Sie halten Bierflaschen, orangefarbene Rettungsbojen, ihre Smartphones und Schilder in die Luft („The Hoff for Bürgermeister!“ „#Hofftastic“, „Looking For Freedom“), sie tragen Masken von The Hoff, sie johlen und jubeln, sie sprechen ironisch von einem geschichtsträchtigen Tag. Einer ist sogar mit einem Falcon vorgefahren, der K.I.T.T. sehr ähnlich sieht. Ein paar Media-Spree-Gegner sprechen Sätze in Fernseh-Kameras, in denen sie sagen, dass es doch nicht um den Kerl da vorne, sondern um dieses Mauerstück dort gehen würde. Aber das geht im Gejohle und den Handyfotos unter.

David Hasselhoff klettert in einen kleinen gelben Planwagen. Eine Bühne gibt es nicht, „vielleicht das nächste Mal“, wenn sein Besuch nicht so spontan passiert und er „all die Stars“ im Schlepptau hätte. Gebückt steht er, der Superstar der Wiedervereinigung, nun darin, im Demo-Mobil, spricht zwei Sätze über die Berliner Mauer und singt dann, immer wieder, den Refrain von „Looking For Freedom“ an. Seine Fans und alle anderen singen mit. Und plötzlich war The Hoff zwischen all der Politik und Ironie der Karnevalsprinz einer Stadt, die mit Jecken sonst so wenig zu tun haben möchte und doch von ihnen lebt.