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„Ozark“ auf Netflix: Schau mir in die Augen, 10 Stunden lang


Nein, „Ozark“ ist nicht das neue „Breaking Bad“. Zu viele Probleme liegen hier plötzlich im Weg einer im Exil lebenden Familie. Faszinierend ist allerdings das Gesicht des Hauptdarstellers Jason Bateman.

Hätte Marty Byrde nur etwas mehr Zeit gehabt, dann wäre ihm garantiert etwas Besseres eingefallen. Aber gut: Ein Drogenboss hält ihm gerade eine Waffe ins Gesicht, da ist sein erster Gedanke, sich mit einer gigantischen Geldwäscheaktion in den Ozarks rauszureden, auch nicht gerade schlecht.

Das Ozark-Plateau liegt zu Großteilen in Missouri und ist ein beliebter Urlaubsort in den USA. Viel Wasser, viel Wald, kaum Polizei. Byrde und seine Familie müssen in „Ozark“ dort hinziehen, weil Familienoberhaupt Marty tief in der Scheiße sitzt. Als Finanzberater hat er in Chicago Geld für die Mafia gewaschen, sein Kollege hat heimlich Millionen vom Drogengeld abgezwackt und liegt jetzt tot neben Marty. Also musste schnell eine Idee her, um den wütenden Drogenbaron zu besänftigen. Geldwäsche im Urlaubsparadies heißt die spontane Lösung, 500 Millionen in 5 Jahren sollen dort durchlaufen.

Probleme mit Rednecks

Marty Byrde ist ein faszinierender Pragmatiker. In neun Episoden von „Ozark“, Netflix‘ neuester Eigenproduktion, kann er jeden seiner Gegner in Grund und Boden argumentieren. Nur ganz zu Beginn, in den Lauf der Pistole blickend, fällt ihm nur diese beschissene Idee mit dem Umzug in die Ozarks ein. Und so sitzt er in der gesamten Staffel fest in den Wäldern, fernab seines alten Lebens in Chicago. Kleinkriminelle Rednecks machen ihm das Leben schwer, seine Frau betrügt ihn schon seit langer Zeit, sein Sohn findet Gefallen am Ausweiden von Tierkadavern.

Nein, es ist kein „Breaking Bad“

Eine Familie mit kriminellem Background, bedroht von Gangstern und das mitten im Nichts. Bereits vorab wurde bei „Ozark“ der Vergleich zu „Breaking Bad“ gezogen. Aber er stimmt nicht wirklich. Denn hier beobachten wir keinen Familienvater, der nach und nach zum Monster wird. Jason Bateman mimt einen Mann, der schon immer zwielichtig war und im illegalen Gewerbe Geld verdiente. Die Art, auf die Bateman seinen Marty Byrde spielt, sorgt aber dafür, dass „Ozark“ trotz wenig, sehr wenig Charakterentwicklung über die gesamte Staffel sehenswert bleibt.

Guckt mal wieder

Denn egal welches Problem jetzt auf den Antihelden zukommt, Bateman reißt erst einmal die Augen auf und guckt. Entweder auf eine Person oder einen Gegenstand oder einfach in die Luft. Man kann ihm beim Denken zuschauen, seine Gedanken aber nur selten erahnen. Gegen Bateman, bisher meist durch Comedy bekannt, möchte man definitiv nicht Poker spielen, ihm aber sehr wohl dabei zuschauen. Sein Gesicht trägt die Serie ganz allein, ist er nicht im Bild, wird es schnell öde. Regie geführt hat er bei den spannendsten Episoden auch noch.

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Mit etwas mehr Geduld und besseren Side-Plots für den Rest der Familie Byrde, hätte „Ozark“ tatsächlich der ganz große Wurf werden können. Aber die Autoren – so scheint es – vertrauen nicht immer auf die Stärke ihrer Figuren und werfen in kurzen Abständen neue Probleme in den Weg der im Exil lebenden Familie – als ob ein mexikanisches Drogenkartell nicht ausreichen würde.

Und dann auch noch Heroin-Dealer

Da gibt es plötzlich einen Prediger, dessen Leben durch die Ankunft der Byrdes zerstört wird. Den ekligen Stripclub-Besitzer, den gerissenen Agenten, der eine Affäre mit einem Redneck beginnt. Und ein in den Ozarks agierendes Heroin-Kartell, dessen Pläne Marty versehentlich kreuzt. Würde „Ozark“ die Hälfte seiner Nebengeschichten streichen, die erste Staffel hätte vielleicht wirklich in „Breaking Bad“-Gefilde eindringen können. So bleibt bis zum Start der zweiten Staffel hauptsächlich die Erinnerung an Jason Batemans faszinierendes Pokerface.

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