Andy Mackay – Resolving Contra – Dictions

Nach seinem 1974 erschienenen Saxophonalbum „In Search Of Eddie Riff“, das wegen gewisser Plattheiten und einem allzu konventionell ausgefallenen Konzept weithin kritisiert wurde, nach zwei Produktionen unter dem Motto „Rock Follies“, die vor allem kommerziell erfolgreich waren, legt Andy Mackay, Oboeist und Sax-Spieler von Roxy Music, mit „Resolving Contradictions“ ein recht anspruchsvolles, auch kontroverses Album vor. Die Aufnahmen zu dieser LP begannen unmittelbar nach Andys Rückkehr von einer Reise nach Rotchina, im März dieses Jahres. Begleitet wurde er auf diesem Trip von seiner Frau Jane, die im Mao-Werkanzug mit einem (in China unbekannten) Greyhound an der Leine für das Covergemälde posierte. Unterstützt wurde Mackay bei den Aufnahmen von seinen Roxy Music-Kollegen Phil Manzanera (git) und Paul Thompson (drums, perc.) sowie von einer Reihe von Sessionmusikern mit unterschiedlichem Background (Klassik, Experimentelle Musik, Rock, aber keine Jazzer).

„Widersprüchliches aufzulösen“, wie es der Titel verheißt, gelingt Andy Mackay bei dieser Platte tatsächlich in frappanter Weise. So werden etwa bei dem Song „Skill and Sweat“ pathetische Fanfaren, die an Bruckner oder Strawinsky erinnern, mit dem Trillern einer chinesischen Rohrflöte, einem genüßlich phrasierenden Saxophon und schließlich einem soliden Rockbeat der Drums zu einem flotten Fetzer im Foxtrottrhythmus verschmolzen. Das klingt fast unmöglich, läuft aber so. Eine Aussöhnung der klassischen E-Musikstimmungen „lyrisch“ und „heroisch“ mit Versatzstücken änderer Herkunft bringt das Stück „The Inexorable Sequence“ („Der unerbittliche Lauf“), bei dem sich das Grundthema (ein flirrendes Synthesizer- und Querflötenmotiv) am musikalischen Abgrund eines Manzanera-Gitarrensolos vorbei nach Art des Ravelschen Boleros stetig steigernd auf ein strahlendes Finale hinbewegt. Pompöse Posaunen und Paukenwirbel parodieren hier gekonnt den ersten Satz von Richard Strauß‘ Tondichtung „Also sprach Zarathustra“.

Das Konzept der geschmackvoll vereinten Widersprüche zeigt auch „A Song of Friendship (The Ren-Min Hotel“): Jauchzende Rohrflöten und akustische Gitarren mit „Balalaikaeinschlag“ zeichnen ein Bild des Friedens und der Freude, das die Feiertagsstimmung Hunderttausender „Blauer Ameisen“ auf dem riesigen Platz nahe dem alten Kaiserpalast in Peking farbenfroh schildert. Lautmalerisch kontrastierend steigert sich das Schlagzeug zum Dröhnen der Maschinen in der „Loyang Tractor Factory“, aber auch hier mischt sich in die proletarische Welt ein herrlich dekadent-westlich klingendes Saxophon, lindert wie ein sanft über Bambusrohre streichender Wind ein traditionell-chinesisches Geigenthema die Härte des Stückes.

„Resolving Contradictions“ soll den Widerspruch zwischen dem individualistisch luxurierenden, kapitalistischen Westen (mit all seiner Fremdbestimmung, Neurotisierung und Vereinsamung des Menschen) und dem vermassenden, „roten Osten“ (mit den sich in Kolchosen und hergebrachten Großfamilien durchaus geborgen fühlenden) Rotchinesen musikalisch auflösen. Andy Mackay spielt also auch auf der politischen Klaviatur. Er wählt hierbei übrigens einen ähnlichen Weg wie die (kürzlich verstorbene?) Tschiang Tsching. Clever beutete die Mao-Gattin altchinesische Volksweisen, Hochmusik aus der Kaiserzeit und europäische Musiktraditionen der Symphonik des 19. Jahrhunderts aus. Für die Begleitung ihres Pekinger Balletts und propagandistischer Filme schreckte sie selbst vor Übernahmen aus kitschigen Hollywood-Soundtracks der 40er Jahre nicht zurück. Da aber der von Tschiang Tsching befohlene, rücksichtslose Eklektizismus sich stets ideologischen Zielen unterzuordnen hatte, erreichte die chinesische Musik nach der Kulturrevolution niemals das Niveau vorurteilslosen Experimentierens, wie es Andy Mackays exzellentes Album demonstriert, das sich um keine kommunistische „Moral“ zu scheren braucht.