Beziehungsweise Neurosen – „Hannah und ihre Schwestern“ von Woody Allen :: Kinostart: 2. Oktober

Elliot (Michael Caine) liebt Lee (Barbara Hershey), die jüngere Schwester seiner Frau Hannah (Mia Farrow). Lee ist hin- und hergerissen zwischen Elliots linkischem Charme und der tiefgründigen Reife ihres Lebensgefährten Frederick (Max von Sydow). Und Mickey (Woody Allen), Hannahs Ex-Mann, ist Hypochonder, sucht den Sinn des Lebens in religiösen Erlebnissen und empfindet eine intensive Haßliebe zu Hannahs älterer Schwester Holly (Dianne West), einer gescheiterten, Kokain-süchtigen Brodway-Schauspielerin.

Das ist genau der Stoff, aus dem die unzähligen billigen Soap Operas sind. Oder die filmpreisverdächtigen Psychodramen der zähen Art. Selbst der Trailer vermittelt das Gefühl, man müßte sich auf einen gesetzten Woody Allen gefaßt machen, der die Neurosen seiner Mitmenschen nicht mehr tosendem Gelächter preisgibt, sondern zarte, analytische Auseinandersetzung sucht.

Blödsinn! Spätestens nach Michael Caines zweitem Annäherungsversuch und Woody Aliens Minenspiel beim Arztbesuch liegt man unterm Stuhl des Vordermanns. Allen hat sich wieder auf sein Lieblingsthema gestürzt: Die intellektuell daherplappernden, hektisch Galerien besuchenden, erotisch verwirrten Bildungsbürger aus Manhattan. Da konnte gar nichts schiefgehen. Mit gewohnter Brillanz und herzhafter Gnadenlosigkeit macht er aus kleinen Schrullen abendfüllende Lacherfolge.

Das Sympathische an Aliens Figuren ist, daß sie in ihren ernsthaftesten Momenten am lächerlichsten wirken. Natürlich verlieren die Handelnden nie ihr Gesicht, dazu hat Woody Allen viel zu viel Respekt vor seinen Figuren. Aber wenn sich Max von Sydow als eigenbrötlerisches Kunst-Genie durch seine ehrliche Tiefe um Lebensglück und -freude bringt, oder der gebildete Smalltalk neue Höhen der Peinlichkeit erklimmt, packt einen doch die nackte Schadenfreude.