Cluster – Cluster II; Cluster – Zuckerzeit; Harmonia – Musik von Harmonia; Harmonia – Deluxe

Zwei, nein, drei Vordenker moderner elektronischer Musik im Spiegel der Zeit. „Alles, was ich in den vergangenen Jahren über elektronische Musik gelernt habe, verdanke ich Dieter Moebius und Hans-Joachim Roedelius“, erklärte Ex-Roxy-Music-Soundtüftler und Ambient-Pionier Brian Eno im Jahr 1977 zu der in Deutschland weitgehend unbeachtet gebliebenen Veröffentlichung des Projekts Cluster & Eno. Tatsächlich wirkten Moebius und Roedelius – anfänglich noch im Trio mit Conrad Schnitzler – schon seit Ende der 60er-Jahre als Avantgarde-Vorhut der elektronischen Musik in Deutschland. Sie legten erst unter dem Namen Cluster, dann auch im Gespann mit Gitarrist Michael Rother (ex-Kraftwerk, ex-Neu!) als Harmonia vielgepriesene Alben auf dem Metronome-Ableger-Labei Brain vor. Als Teil einer umfangreichen Retrospektive des Kultlabelsliegen nun vier Alben der Schlüsselfiguren deutscher Elektronik auf CD vor. Ganz im Zeichen des progressiven Zeitgeistes, wabert, schlingert und fiept sich das experimentierfreudige Duo auf seinem zweiten Album Cluster II, 3,5 Sterne, durch sechs Klangcollagen. Mal im Tempo eher gedrosselt, dann wiederum beschwingt vorwärts treibend, mal leise, dann wieder brachial. Verblüffend, dass auch der integrierte Konzertmitschnitt“Live in der Fabrik“ sich in nichts von den in Studios in Hamburg und Berlin aufgezeichneten fünf Stimmungsbildern unterscheidet. Für den Nachfolger Zuckerzeit, 4 Sterne, ließen sich düster mehr als zwei Jahre Zeit. Mittlerweile aufs Land, nach Forst an der Weser, gezogen, veränderte sich die Stilistik des Duos auf eigentümliche Weise. Streng genommen handelt es sich bei den zehn kurzen Tracks um zwei zusammengefügte Mini-Alben von Moebius und Roedelius – Ersterer lieferte den experimentelleren Ansatz, Letzterer orientierte sich musikalisch an der Idylle ländlicher Ruhe, Zuckerzeit ist ein harmonischer Synthie-Pop-Vorläufer, wenn auch rein instrumental. Verblüffend vor allem der gelenkige Einsatz der Rhythmusmaschine-hatten doch im Cluster-Konzept bislang ganz andere Strukturen Vorrang. Das ab 1973 geführte Parallel-Projekt Harmonia mit dem damaligen Neu!-Mitglied Michael Rother widmete sich im Wesentlichen einer nicht mehr rein elektronisch erzeugten Musik. Der Trick von Harmonia liegt in der Kombination von Gitarre, Klavier, Orgel und Synthesizer. Dabei erinnern Teile von Musik von Harmonia, 5 Sterne, deutlich an die Projekte Michael Rothers: Etwa „Dino“, das wie eine gestrafftere Version des Neu!-Klassikers „Hallogallo“ klingt, oder auch „Veterano“ mit seinen Querverweisen zu den frühen Kraftwerk. Rolf-Ulrich Kaisers Kosmische-Kuriere-Imperium erfährt in dem Song „Sehr kosmisch“ eine ironische Breitseite – Pathos und wagnerianisches Geschwelge inklusive. 1975 entstand das finale Album Deluxe, 5 Sterne. Kerniger Gruppengesang, gepaart mit eingängigen Harmonien, die sich sofort verhaken, bestimmen den majestätischen Opener „Deluxe (Immer wieder)“ wie auch das durch Rotzers Sechssaitenkunst geprägte „Walky Talky“ „Monza“ bietet hingegen scharfe Kontraste, während die Tracks „Notre Dame“, „Gollum“ (Mittelerde lässt grüßen!) und „Kekse“ einmal mehr in ätherischer Cluster-Glückseligkeit vor sich hinschweben.

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