Derringer – Live

Beide gelten als Hardrocker, aber was für ein Unterschied: der eine ein blutjunger Amerikaner, der schon im zarten Knabenalter goldene Schallplatten sammelte, der andere ein gestandener britischer Profi, der den Sprung an die Spitze noch immer nicht geschafft hat. Rick Derringer auf der einen, George Hatcher auf der andern Seite. Ring frei zur ersten Runde! Derringer’s Schwermetallgitarre reißt einem sofort die Ohren bis zum Scheitel auf, das Volk johlt ausgelassen dem jugendlichen Helden zu, und der Meister zählt ungeduldig an: One, Two, Three… dann geht’s auch schon los! Boogienummern, die unten an den Knien angeschlagen werden, eine fetzige Stimme, aber was ist das…?

Die Stücke taugen ja eigentlich gar nichts! Schon nach der Hälfte der ersten Seite schleicht sich Langeweile ein – immer das gleiche, immer nur Lärm und Klischees. Das einzige, was Derringer wirklich beherrscht ist die betonschwere Rhythmusgitarre, die wohl deshalb so stark nach vorn gemixt worden ist. Aber seine solistischen Klimmzüge und Gitarrenduelle sind einfach nicht zu ertragen, nervtötend einfallslos und bieder sind sie.

Ganz anders dagegen die Hatcher-Crew, die mit „Big John“, einem ausgefuchsten Studioprofi, einen glänzenden, vor Fantasie sprühenden Gitarristen beschäftigt. George selbst singt mit dieser Krächz- und Röchelstimme, die vor ihm schon Joe Cocker, Frankie Miller und einige andere erfolgreich kultiviert haben. Sein Boogie ist viel schwärzer als der von Derringer und seine Kompositionen werden wesentlich sorgfältiger und einfühlsamer gespielt und in Szene gesetzt. Oft erinnert er mich an Bob Seger aus Detroit, aber George’s Musik ist englisch, durch und durch.

Hatchers erste Plattenseite gehört den Losgehnummern, die zweite in der Hauptsache den langsamen Balladen (angesiedelt zwischen Bad Company und Jess Roden). Die Chordamen von Kokomo und eine Bläsergruppe streuen hin und wieder Pfeffer ins kochende Süppchen. Immer und überall gerät man allerdings vor Begeisterung aus dem Häuschen, wenn „Big John“ in die schier unerschöpfliche Trickkiste seiner Studioerfahrung greift.

2 (Derringer)

4 (Hatcher)