Dictators – Manifest Destiny

Zunächst einmal ist etwas Nachhilfe in Geschichte nötig. „Manifest Destiny“ ist das Leitmotiv jener Großmachtideologie, mit welcher die USA vor der Jahrhundertwende ihre imperialistischen Beutezüge in Lateinamerika und im Pazifik moralisch rechtfertigten. Jetzt haben sechs Ostküstenrocker sie wieder aus der historischen Mottenkiste gekramt, die größenwahnsinnige Idee, durch göttliche Vorsehung zur Weltherrschaft bestimmt zu sein – wenn auch diesmal nur auf musikalischem Sektor. Sie nennen sich unverblümt „The Dictators“ und lassen keinen Zweifel daran aufkommen, wie sie zu regieren gedenken: mit schwermetallener Faust. Allerdings: den Globus haben sie vorerst nur in ihrem Gruppenlogo vereinnahmt.

Hoffen wir, daß es dabei bleiben wird. Denn das Ganze riecht verflucht nach Hype. Genauer: ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, daß es der bis dato Funk- und Countryorientierten Firma Asylum beim Retortenerfolg des CBS-Unternehmens „Boston“ arg in den Fingern gekribbelt hat. Mit Hilfe der versierten Blue-Öyster-Cult-Produzenten Pearlman/Krugman hat sie jetzt eine seit Jahren erfolglos herumtrödelnde Heavy-Metal-Formation generalstabsmäßigzur angehenden Supergroup geliftet. Zwar liegt mir das bisweilen ruppige Dikatorengedonner noch eher als die abgeleckte Stromlinienschönheit Boston. Aber der musikalisch „gewaltige Schritt nach vorn“ für den ihre Plattencompany sie flugs zu verkaufen sucht, sind die Diktatoren nun auch wieder nicht. Die Gruppe um Bandboß Adny Shernoff (keyb, voc) trampelt kreativ auf der Stelle, wie etliche Kaliber vor ihr, mit ein paar hübschen Softies, ein paar dickflüssigen Heavies und ein paar aggressiven Attacken jener Kategorie, die der Songtitel „Search And Destroy“ so trefflich charakterisiert. Solange man derlei Vernichtungsfeldzüge auf dem Plattenteller unter Kontrolle halten kann, mag’s angehen. Aber gnade Gott demjenigen, über den solche Meute live herfällt!