Falckenstein – Falckenstein
Das kleine Plattenlabel Nature macht durch Vielfalt auf sich aufmerksam: Nach Country & Western mit Track Stop oder Mundart-Rock von „De Höhner“ gibt’s jetzt deutsche Folklore von Tanzbär und Folk-Rock von Falckenstein.
Der Tanzbären sind’s fünf zwei Damen und drei Herren -, die viel gesangliche Abwechslung bieten und mit alten Instrumenten wie Streichpsalter, Drehleier, Epinette des Vosges (Scheitholz) oder Krummhorn sowie neuen Instrumenten Marke Keyboards, Gitarre und gelegentlich Schlagzeug arbeiten. Dazwischen sind auch noch Mandoline, Bouzouki, Vibraphon und Blockflöten gestreut. Das Quintett serviert 13 Songs. Zwar klingen diese relativ puristisch, doch nie mit humanistischen Biidungsballast befrachtet, zumal Tanzbär einiges modernisiert haben: Aus „In einem kühlen Grunde“ wurde hier „Gebrochen Treu“ – neu vertont, um den strammen Versionen deutscher Männerchöre zu entgehen.
Nicht zuletzt dank Ougenweide hat sich die Schar der Interessenten an deutscher Folklore vergrößert (wenngleich sie immer noch viel zu klein ist). Daher können Tanzbär sicher auf Eingeweihte bauen, denen Heinrich Heine („Deutschland, wir weben dein Leichentuch“), die Carmina Burana. Ricarda Huch („Frieden 1648“). Walther von Vogelweide („Wankelmout“) und Francois Villon etwas sagen. Damit aber vielleicht auch einige Neue zum hiesigen Folk finden, liegt ein ausgezeichnetes Blatt bei, das alle Texte, Erklärungen zu Instrumenten und kurze Einführungen zu den Songs enthält.
Allerdings warte ich noch immer auf eine Folklore-Platte, die konsequent alle Songs problematisiert darstellt, somit für heutige Zeiten also interessant macht. Folklore hat viel mit deutscher Hochsprache und noch mehr mit Geschichte zu tun. Gerade letzteres ist aber fast nie aus sich selbst heraus relevant, sondern muß aufbereitet werden. Insofern scheint mir ein Tanzbär-Song wie „Verliert ein Mägdlein ihren Kranz“ aus dem 16. Jahrhundert unglücklich: Formal sehr schön, inhaltlich altbacken. Denn der Kranz (i.e. Jungfernschaft) mag heute noch in 3428 Duderstadt von Wert sein, aber sonst… Warum nicht einen solchen Song aktualisieren: Quatscht ein Mägdlein einen Jungen an (warum wird sie dann schief angesehen?)!
Falckenstein haben sich musikalisch da rauslaviert, indem sie Folklore mit Rock gepaart haben, was meines Wissens in der BRD noch nicht mit solcher Konsequenz durchgezogen wurde. Fünf Herren, eine Dame – Falckenstein zeigen, wie zauberhaft ein Hackbrett klingen kann, wenn’s nicht unbedingt auf bayerisch gezupft wird. Wieder gibt’s Bouzouki, daneben Dudelsack, aber auch sehr viel Schlagzeug und E-Gitarre. Dem Wendelin Werner gebuhlt das Lob, beinah hardrockige Gitarrensoli trefflich in das Folklore-Szenarium einzubauen – Kompliment. Aber: Ein kleines Beiblatt mit Hintergründen zu den Texten wäre nett gewesen, denn Ferdinand Freiligrath’s „Trotz alledem“, das die Ereignisse 1848/49 beschreibt, hat zwar frappierende Parallelen zu heute („…ein schnöder, scharfer Winterwind durchfröstelt uns… das ist der Wind der Reaktion…“), aber mit den restlichen Texten, abgesehen von „Die Stadt“, kann man nur schwer etwas anfangen. Im übrigen: Oft hochklassig, was die deutsche Folk/Folklore/Rock/Protest-Szene bringt, denn just kommt wieder was Neues ins Haus: EmmaMyldenberger. Daher schnell die Sterne für Tanzbär und Falckenstein: 4(beide).
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