Hot Chip

In Our Heads

Domino/Good To Go VÖ: 8.06.

Die beste Elektro-Pop-Band bleibt die beste Elektro-Pop-Band, weil sie es ohne Mühe schafft, Clubmusik und persönliche Momente unter einen Hut zu bringen.

Man war schon ein bisschen mehr als sonst gespannt, wie es weitergehen würde. Bei Hot Chip hat sich in jüngster Zeit einiges getan und man wusste nicht, wie sich das auswirken würde. Erst einmal musste ein neues Label her, weil diese Album-Band für die EMI nicht gewinnversprechend erschien. Und wie man weiß, waren bis auf Owen Clarke alle Mitglieder zuletzt mit anderen Projekten beschäftigt. Im Privatleben gab es auch Veränderungen. Unter diesen Umständen überrascht es, dass alle fünf Musiker schon zwei Jahre nach One Life Stand wieder für Hot Chip bereit waren. Noch überraschender ist es, dass sie Zeit und Muße fanden, ein Album zu machen, das von Anfang bis Ende weniger elaboriert wirkt. Plötzlich sind die Londoner da, wo sie mit The Warning schon mal waren: bei einer Musik, deren Stärke in der Zurückhaltung liegt.

Es beginnt mit „Motion Sickness“. Der Titel suggeriert Unangenehmes, Schmerzhaftes, Hektisches. Die Musik fällt wegen des zusätzlichen Schlagzeugspiels von Charles Hayward (This Heat) und des Saxofonbeitrags von Terry Edwards gewiss nicht in die unterproduzierte Kategorie. Aber in der Stimme von Alexis Taylor steckt so viel einladende Wärme, dass man gleich wieder gut Freund ist mit der Band. In „How Do You Do“ leben Hot Chip einmal mehr die Liebe zur House-Musik aus, die bei ihnen immer eine Rolle spielt. Aber die fünfte Hot Chip heißt In Our Heads, nicht „Ready For The Floor“. Deshalb wechselt die Band mit „Don’t Deny Your Heart“ gleich wieder in einen anderen Stil über. Plötzlich ist man mitten drin im Human-League-Revival-Rausch. Schon die Melodieführung lässt diesen Schluss zu, die Klänge der gesampelten Steel-Band hören sich wie die Synthesizer auf Dare! an, Perkussion und Rhythmusgitarre erinnern an das, was Produzent Martin Rushent (RIP!) in seinen Remixen für The League Unlimited Orchestra hinzugefügt hat. Joe Goddard arbeitet gerne nach Vorlage. Die kam hier garantiert aus Sheffield. Im Falle von „Look At Where We Are“ sieht es anders aus. Hier hat man es mit Maßarbeit aus der Werkstatt von Alexis Taylor zu tun. Das Tempo geht herunter, es wird intim, der R’n’B-Einschlag ist nicht zu überhören. Aber die stilistische Komponente ist gar nicht so entscheidend. Vielmehr hört man in besonderem Maße, wie sehr Hot Chip über die Jahre als Songschreiber gewachsen sind. Es wäre nicht verwunderlich, wenn gerade dieses Stück demnächst von Musikern aus anderen Genres für eine neue Version geplündert werden würde.

Mit „These Chains“ kommt das persönliche Element ins Spiel. Die Beat-Frequenz pro Minute ist zwar hoch, aber die Musik wirkt trotzdem gedämpft, damit Raum für Nachdenklichkeit bleibt. „These chains you bound around my heart completely, baby, I would not be free“, lautet die Leadzeile. Zaghaft wird darauf verwiesen, dass Goddard und Taylor vor Kurzem Väter geworden sind. Elterndasein bindet, komplettiert aber auch. Hot Chip wären aber nicht Hot Chip, wenn sie bei der nächsten Gelegenheit nicht wieder ins andere Extrem umschlagen würden. Und der Begriff Extrem ist im Falle von „ Night And Day“ angebracht. Hier lassen sich die Soundtüftler auf ein Spiel mit der Stupidität ein. Überall stößt man auf Party­nonsens, besonders der Scissor-Sisters-Gesang wirkt artfremd. Taylor liefert einen Comedy-Rap-Part ab, mit dem er das bekräftigt, was man ohnehin von ihm weiß: „I don’t got no Abba, I don’t play no gabba, I like Zapp not Zappa … so please quit your chooba chabba!“ Wenn man in einem Club mit geringer Distanz zwischen DJ und Publikum spielt, wird oft Musik gewünscht, die man nie spielen würde. „Night And Day“ ist Taylors Reaktion darauf.

Einen echten Schwachpunkt gibt es nicht zu beklagen. Auch der letzte, in Richtung Soft-Rock schielende Song „Always Been Your Love“ mit Lizzi Bougatsos von Gang Gang Dance und den Geigern von Geese als Verstärkung ist keiner. Vielmehr bestätigt er noch einmal, dass diese Band wieder einmal alle Bewerber auf dem Gebiet des Elektro-Pop hinter sich gelassen hat. Und das mit Leichtigkeit. Wie machen die das bloß? Key Tracks: „Don’t Deny Your Heart“, „These Chains“ , „Night And Day“