Neonbabies – 1983
Um mit der Tür ins Haus zu fallen: die neue Neonbabies-LP ist einsame Spitze. All das, was ich mir bei BI NUU von Ideal gewünscht hätte, ist auf dieser Scheibe Wirklichkeit geworden: morbider Charme,laszive Naivität, Texte mit Tiefgang, die zum Nachdenken zwingen, ein offener, plastischer Sound, kurz, der Stoff, aus dem meine Deutsch-Rock-Träume sind. Inga Humpe und ihre männlichen Mitstreiter brauchen mit diesem Werk ihr Musik-Licht wirklich nicht mehr unter den Scheffel zu stellen.
Ohne aufgesetzte NDW-Diskussion singt Inga mit leicht verschnupfter Stimme ihre Texte über „Blondinen“ oder „Junge Männer“ mit der ihr eigenen Mischung aus Aufregung und Apathie Die Musik der Neonbabies wird stets von einem verhaltenen Drive geprägt, auch hier der scheinbare Gegensatz aus Bremsen und Gasgeben, ein ständiges Ringen mit dem Medium Musik. Fernweh, Matrosen-Sehnsucht und unterdrückte Erotik schwingen durch die Songs Ganz deutlich die Schlager-Anklänge an die Hans-Albers-Zeiten; kein künstlicher Kitsch jedoch, sondern Auseinandersetzung, Vorwärtsbewegung.
Dort, wo sich Ideal in Stückwerk verfranst, wirkt „1983“ wie aus einem Guß. Schräge Harmonien zu schrägen Rhythmen und verschleppten Akzenten. Gitarre und Keyboards bewegen sich oft unmerklich in Richtung Moll, um sich dann von einem verhallten Sax-Solo wieder nach oben ziehen zu lassen. Tolle Percussion-Einschübe, düstere Don-Kosaken-Chöre, so und nicht anders darf der Neue Deutsche Schlager sein.
Inga erzählt in ihren Texten Geschichten, äußert Wünsche, träumt. Die Band zeichnet dazu mit den Instrumenten Bilder, legt Teppiche, wirft Strickleitern aus. Schnappt sie Euch und klettert an Bord. Für mich unter den neudeutschen Platten dieses Jahres der erste Höhepunkt.
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