Patti Smith :: München, Colosseum
Wer in München ein herzhaftes „Fuck the beer“ via Mikro auf die Reise schickt, muss entweder sehr mutig oder sehr dumm sein. Vielleicht auch einfach wahnsinnig. Oder aber die Punk-Heroine Nr. 1 auf diesem Planeten, und somit nicht zu belangen. In diesem Fall (und nur in diesem) wird man in der Hauptstadt des Gerstensafts für einen solchen Ausspruch nicht geteert und gefedert, sondern bejubelt. Patti Smith gibt München die Ehre – und zeigt sich nicht nur blendend gelaunt und bestens bei Stimme, sondern auch mütterlich besorgt: „Ist ganz schön heiß hier drin. Wenn ihr heimkommt, solltet ihr alle ganz viel Wasser trinken.“ Heim will allerdings im Moment noch niemand, und überhaupt: soo schlecht ist die Frischluftanlage im Münchner „Colosseum“ nun auch wieder nicht. Wenn die Grande Dame des Punk nach vielen Jahren mal wieder in Bayern Station macht, kann man dafür ruhig ein bisschen Transpiration in Kauf nehmen. Das Publikum nimmt’s gelassen Mindestens so gelassen wie Jackson Smith, der Mutter Patti an der Gitarre unterstützt und sich so verschmitzt grinsend an seiner Telecaster festhält, als ob ihm seine Mutter immer ein bisschen peinlich wäre. Gewandet in ein T-Shirt mit Peace-Emblem sowie überdimensionale Schlabberjeans tanzt diese, je nach Bedarf energisch oder nachdenklich-versunken über die Bühne. Lässt Blütenblätter durch die Finger rieseln, rezitiert ein Gedicht von William Blake, startet einen Wahlaufruf, erzählt von Weimar und den Nietzsche-Archiven, von Thomas Mann, vom Dalai Lama, Und von Hermann Hesse. Trotzdem: Patti Smith steht immer noch für explosiven Rock’n’Roll, und so singt sich die mittlerweile 55-jährige durch eine Art Best-of-Programm. Greift zur Akustischen – und langt beim Auftakt zu „Boy Cried Wolf“ kräftig daneben, feixt:
„Sorry, das war ich. Oder die Gitarre, oder der Wolf.“ Ein Bück auf Sohnemanns Gitarrenhals bzw. Fingersatz hilft schließlich aus der Klemme. „Musikalisch unter aller Sau, aber performancemäßig unschlagbar“, tönt es irgendwo von hinten, als Patti Smith bei „25th Floor“ zur Feedbackorgie ihre Strat stranguliert. Und so entlässt Frau Smith ihre restlos überzeugte Anhängerschar nach einem exzessiven „Rock’n’Roll Nigger“ in Richtung der nächsten Wasserflasche in die Sommernacht.
Bettina Martin Was Patti Smith nach dem offiziellen Konzert so trieb, ist nachzulesen unter www.musikexpress.de
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