Ramones – Rocket To Russia

Mit zwei Alben haben die Ramones aus New York nagende Zweifel in Köpfe und Beine der auf Beatles, Eagles, Kiss und Disco-Klänge ausgerichteten amerikanischen Teens gesät. Nun ernten sie: ihr drittes Album und zwei daraus ausgekoppelte Singles stiegen hoch in die US-Hitlisten. Jetzt weiß Amerika, wer die beste Punk-Band im Lande ist, und die falschen Leute sonnen sich sicherlich nicht in der Popularität. Denn wann wurde zum letztenmal der Lebensinhalt der Kids auf solch eine ebenso simple wie allumfassende und treffende Formel gebracht: „Chewing out a rhythm on my bubble gum! The sun ist out and I want some“?!

Die zwei genialen Zeilen gehören zum Song „Rockaway Beach“. In zehn Jahren wird man von ihm und ebenso von der zweiten Mördernummer dieser LP, „Sheena Is A Punk Rocker , ebenso ehrfürchtig sprechen wie heute von „She Loves You“ oder“I Get Around“. Die Ramones spielen nämlich Popmusik von der allerbesten Sorte, reduzieren den Rock auf seine durchschlagenden Grundformeln und legen mit unbändiger Spielfreude los.

Auf politische Aussagen, wie sie für viele britische Punks üblich sind, verzichten die Ramones und vertrauen darauf, daß ihr Sound schon die richtigen Gedanken bei ihrem Publikum ans Tageslicht befördert. Stattdessen bringen sie einer gelangweilten, unverstandenen und an der kurzen Leine gehaltenen Generation bei, daß es im Leben eine Menge Spaß zu holen gibt. Kein Song der Gruppe dauert länger als zwei Minuten 49 Sekunden. Ihre Rhythmen hämmern, ihre Gitarren dröhnen blechern und ihr Chorgesang hört sich an wie eine Parodie auf die Eagles : herrlich unperfekt. Und ihre auf den ersten Blick oft banalen Texte offenbaren beim zweiten Hinschauen viel Witz und Ironie („We’re A Happy Family“, „I Wanna Be Well“). „Do You Wanna Dance“ und „Surfin‘ Bird“, zwei uralte Surf-Klassiker, haben die vier Ramones auch im Repertoire. Klar doch: im Grunde erleben wir hier die — zeitgemäße Wiedergeburt der Beach Boys.