Snowball – Cold Heat
Wer hätte das gedacht? Die Tendenz, sich von den unterkühlten Passport-Mustern und Doldingers akademisch anmutenden Klangbildern zu lösen, war bereits auf dem ersten Snowball-Album „Defroster“ deutlich zu hören. Funk und Rock gewannen gegenüber dem Jazz die Oberhand, doch sich ganz lösen, das vermochten die Musiker nicht, besser: noch nicht. Daß heute der Funk die Überhand gewonnen hat. gar Blues- und Soulelemente einfließen, ist sicher mit ein Verdienst des schwarzen Sängers Eddie Taylor, der die eine Hälfte der freigewordenen Planstelle des ausgeschiedenen Sängers/ Gitarristen Roye Albrighton eingenommen hat und dazu noch für ein intensiv gespieltes Saxophon verantwortlich zeichnet. Weiter in der Band: Frank Diez, funkerfahren seit „Randy Pie“, Kristian Schultze an den Keyboards, Curt Cress an den Drums und – auf der LP -Günter Gebauer am Baß. Live spielt Reginald Worthy, ein weiterer Schwarzer (toll!).
So kann der Opener „Move To The Music“ fast als ein umfassendes Programm eines heutigen Snowball-Gigs gewertet werden. Man stelle sich vor, wenn ein Weißer dem Publikum vorschlüge:“.Bewegt euch zu der Musik, die in euch drin ist…“ Nichts würde passieren. Aber der Eddie, der lebt auch, wovon er erzählt. Seine Bewegungen sind echt, das kommt rüber. Auch schon von der Platte. Hören wir Curti Cress. Schlagzeuger und Snowball-Begründer im Originalton zu Cold Heat: „Die ganze Produktion ist wärmer, menschlicher, erdiger; obwohl, der ganze elektronische Einfluß, der da jetzt mit drauf gekommen ist. geht zusammen mit dem ganzen Zeug, Jazz. Rock. Funk, in eine ganz merkwürdige Richtung, auch Space- und Automatenmusik.
Es ist alles drin , beschreibt er die Snowball’sche Synthese. Die Betonung lieft auf Synthese. Denn auf „Cold Heat“ gibt es kein wahlloses Durcheinander. Es ist Gruppenmusik geworden. Homogen, im rhythmischen Zusammenspiel ungewohnt ökonomisch, ohne eine große solistische Überbetonung. Man hat Curti Cress selten so verhalten und gleichzeitig so wirkungsvoll trommeln hören. Ein ganz neues Selbstverständnis spricht aus dem Titel. Und Kristian Schultze. Kaum einer weiß die polyphonen Synthesizer so unaufdringlich, dennoch intensiv einzusetzen. Und Diez glänzt mit sauberen Licks. Eddie Taylor legt in die Texte das rechte Feeling zwischen ironischer Distanz („Aura Lee“) und Wehmut und Anklage („New York City“, „Winter’s Cold City“). Witzig wird’s in Aura Lee“. Die Vision einer Liebe zwischen Robotern. Weit intensiver ist Seite 2. Ruhige, balladesk angehauchte Nummern. „In A Dark Room“ beispielsweise. Und „Extraordinary Feelings“. Titel mit ungemein viel Feeling. Einfach schön. Und eindringlich. Diesem Schneeball sollte man nicht ausweichen. Man sollte ihn fangen.
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