The Prodigy :: Weeze, Bizarre Festival

Ein schweres Erdbeben inmitten des niederrheinischen Tieflands? Klingt nicht gerade plausibel. Aber wie sonst ist es möglich, dass selbst platt getretene Grashalme ins Wanken geraten? Nein, hier ist weder eine Gefechtsübung der Bundeswehr im Gange, noch wird ein Fabrikgebäude abgerissen. Es spielt nur eine Band. Aber was heißt hier: Es spielt nur eine Band. Es spielt DIE Band. Die Band, die Musikszenen in kollektiver Begeisterung vereint hat und es noch immer tut. Zwei Jahre nach ihrem letzten Auftritt haben sich The Prodigy aufgerafft, erneut die europäischen Festivalbühnen im Sturm zu nehmen. Und welchen Ort in Deutschland suchen sich die Briten aus, um ihre Tanzflächen- und Partyklassiker wieder aufleben zu lassen? Weeze, den Austragungsort eines der bedeutendsten Alternative-Open-Airs dieser Tage. Und was passiert? Das Publikum, egal ob Rastafari, Schwermetaller oder Indierocker, pfeift die Dance-Heroen nicht etwa aus, sondern jubelt und schreit sich einhellig die verzückte Seele aus dem Bratgitarren-verwöhnten Leib. Bereits bei den ersten Bass-Attacken erbebt das gesamte Festivalgelände unter den rhythmischen Beats und dem kollektiven Gehüpfe von 40.000 wild gewordenen Tanzwütigen. Die Händler fürchten um ihre Buden, da selbst zwischen Kleiderständern und CD-Regalen abgezappelt wird. Tausende von Hälsen recken und strecken sich, um einen Blick auf die vier Briten zu erlangen, jedoch vergeblich. Zu viele wehende Haarmatten, geschulterte Freundinnen oder meterhohe Aufbauten versperren die Sicht auf Liam Howlett, Keith Flint, Maxim Reality und Leeroy Thornhill. Doch was an visueller Stimulation fehlt, macht die Musik wett. „Breathe“, der mit Abstand intensivste Song des Abends, pumpt sich mit Urgewalt aus den Boxen. Die allerletzte Hemmschwelle fällt, ein kollektiver Urschrei geht nach den ersten Takten durch die Menge. Zwischen Bühne und Mischpult verwandeln sich die Fans in eine schwitzig-ekstatische Menschenmasse. Von diesem Zeitpunkt an geht es Schlag auf Schlag,The Prodigy fahren ihr volles Hit-Programm auf: „Their Law“ jagt „Smack My Bitch Up“ jagt „Poison“. Selbst wenn manche Beats hörbar aus der Konserve stammen, klingen die Prodigy-Stücke überaus tight und agil. Und (vor allem „Firestarter“) sehr viel roher und ungeschliffener als auf Platte. Die akustische Heftigkeit der Lieder macht sich denn auch bemerkbar: nach 45 Minuten werden beim Publikum erste Ermüdungserscheinungen sichtbar- man ist das exzessive Abhotten eben nicht gewöhnt. Doch zugeben will das niemand und so wird mit niedrigerem Gang bis zum Ende weitergezappelt. Und eben dieses kommt abrupt. Deshalb schaut das Gros der Anwesenden ziemlich verdutzt und ein wenig verärgert auf die Uhr, als Prodigy nach einer knappen Stunde die Bühne verwaist zurücklassen. Aber man soll ja nicht immer alles schlecht reden. Vor allem nicht diesen – trotz dieses Mankos – enorm Laune machenden Auftritt.

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