Ry Cooders Weltmusik


Der Mann kennt die Musik dieser Welt. Nach einem Grammy gelingt ihm mit Ali Farka Toure und "„Talking Timbuktu" erneut ein Meilenstein der Weltmusik.

Von Bescheidenheit ist die Rede. Da blickt ein Mann auf die 30 Jahre seiner bemerkenswerten Musikerkarriere zurück und beim Aufzählen seiner Glanztaten fällt ihm immer wieder nichts anders ein als: „Ich spiel einfach, was mir gerade so durch den Kopf geht“, oder „ich kann sowieso nicht so viel“. Nach einer halben Stunde des Gespräches wartet man gar darauf, daß sich Ry für seine zugegebenermaßen mittelmäßige Gesprächsphrasierung entschuldigt.

Kommentar zu seinem gerade erworbenen Worldmusic Grammy für „A Meeting By The River“ mit dem Inder V.M. Bhatt: „Es gab ein Paar Telephonate und dann fuhr ich zu dieser Kirche. Plötzlich saßen wir da und fragten uns: ,was spielen wir?‘ Dann versuchte ich seine Musik zu reflektieren. Zwei Nächte lang. Es ist die einfachste und ungeplanteste Platte der Welt geworden und dann stellte sich heraus, die Leute mögen sie. Sehr sogar. Dann kam das Ding mit dem Grammy. Völlig unerwartet!“

Die herrlich unprätentiöse Art, wie der gebürtige Californier Ry Cooder in den Rückspiegel seiner Geschichte schaut, läßt dem Starkult keinen Platz. Immerhin halten ihn viele seiner Kollegen für einen begnadeten Musiker. Seine inspirierte Fingerfertigkeit auf Saiteninstrumenten ist bereits auf Dutzenden von Rock-Alben dokumentiert. Von den Stones über Captain Beefheart, Little Feat, Randy Newman bis Neil Young wollten sie ihn alle dabei haben.

Seit seinen langgezogenen, metallischweinenden Bottleneck-Klängen in dem Wenders-Streifen „Paris, Texas“ hofieren ihn die besten Film-Regisseure. Und außerdem hat sich Cooder von seinem ewigen Insider-Tip-Status durch zahlreiche Solo-LPs längst verabschiedet. Aber, anders als die unzähligen Eintagsfliegen des Popbusiness, bleibt der King der „bottleneck“-Gitarre ein Mann der leisen Worte.

Seit seiner ersten LP im Jahr 1970 pendelt der Sohn einer gutbürgerlichen Familie aus Los Angeles zwischen der Peripherie und dem Zentrum der populären amerikanischen Musik mit der Akribie eines aufgeklärten Handwerkers. Ob Blues, Gospel, Country, Rock, Ry Cooder durchforstet alle Genres, und spielt sie so, daß man den Eindruck bekommt, er habe sie selber erfunden. Cooder, der Roots-Aficionado. Eine Art weißer James Baldwin der amerikanischen Volksmusik. Abneigung gegen Trends, Moden und Business.

Weniger bekannt sein dürften den meisten seine Klangexpeditionen abseits amerikanischer Musikpfade. Was ihn dabei leitet, ist sein vollendeter Geschmack für Musikalität. „Einige Künstler strahlen eine ungeheure Individualität aus. Sie fangen an zu spielen, und du bist einfach fasziniert, jemanden zu hören, den es nur einmal gibt. Nimmt z.B. Gabby Pahinui. Auf Hawaii findet man gute Musiker zuhauf aber Gabby ist der beste. Sein fantastischer Sinn für Poesie und Schönheit dringt in seiner Musik durch. Das hat nichts mit Technik zu tun. Es ist einfach so, und mit ihm zu spielen war für mich eine Ehre.“

Ry Cooders musikalische Abenteuer darf man allerdings nicht als Einbahnstraßen betrachten. Ohne ihn würde der Akkordeonspieler Flaco Jimenez vielleicht immer noch in den cantinas von San Antonio auftreten und Tex-Mex wäre für die meisten wahrscheinlich ein Synonym für Sombrero geblieben. Seine Slide-Ausflüge mit V.M. Bhatt eröffnen vielen die hermetisch verschlossenen Türen der indischen Musik.

Ähnlich wird es jetzt mit Ali Farka Toure aus dem westafrikanischen Mali laufen. Mit ihm spielte der Californier das fantastische Album „Talking Timbuktu“ im letzten September ein. „Als Ali mit dieser kleinen afrikanischen Fiedel anfing, wurde mir klar, daß ich solche Töne aus dem deep South kannte. Es gibt keinen Zweifel daran, daß sie irgendwo herkommen. Und anscheinend handelt es sich tatsächlich um die Heimat von Ali. Von allen Platten, bei denen ich mitgewirkt habe, hat diese den besten Sound. Es klingt sehr warm, sehr menschlich. Normalerweise vermisse ich immer etwas, vor allem bei CDs. Hier hört man die Musik, die wir vorhatten zu spielen. ‚Talking Timbuktu‘ ist einfach Klasse.“

Cooder, dessen Blues Mentor der Reverend Gary Davis war, und der als Teenager jedes Konzert von Mississippi John Hurt oder Lightnin‘ Hopkins im legendären Folk Club von Hollywood erlebte, wurde mit Ali Farka Toure an die Wurzeln des Mississippi Delta Blues nach Afrika geführt. Für jemanden, der seit 30 Jahren unersättlich nach der wahren Quelle der Musik sucht, eine wahre Freude!