Stereo Total live in Freiburg


musikexpress.de-User Pändy über das franko-germanische Duo Stereo Total, das neue Album PARIS-BERLIN und ein charmantes, unterhaltsames Konzert im Freibuger Jazzhaus.

Manchmal muss man zu seinem Glück ja ein bisschen gezwungen werden. Da gibt es Bands, von denen man seit Jahren immer mal wieder liest, die aber aus unerfindlichen Gründen – manchmal ebenfalls über Jahre hindurch – an einem vorbei gehen. Manche davon geraten irgendwann in Vergessenheit, andere dagegen sind urplötzlich und vehement präsent. So erging es mir mit dem franko-germanischen Duo Stereo Total, welches unlängst sein mittlerweile siebtes Album namens PARIS-BERLIN veröffentlicht hat.Nun begab es sich eines warmen Sommernachmittags, dass ich in meinem Lieblingsplattenladen freudig eine Bestellung abholte, derweil aus den Boxen mit betont gelangweilter Stimme erklang: „Ich bin der Stricherjunge / mit der Raucherlunge / ich geh am Bahnhof lang / und steck mir Kippen an…“ Ich erkundigte mich, wer das denn sei, hörte das Lied noch zu Ende und machte mich mit meinem Einkauf auf den Heimweg. Und während ich so nach Hause radelte – wahrscheinlich noch immer mit einem leicht bescheuert anmutenden Grinsen im Gesicht, ob des mir Amüsement in höchstem Maße verschaffenden Textes – stellte ich fest, dass mir der Song nicht mehr aus dem Kopf wollte. Was also blieb mir übrig, als am nächsten Tag auf ein Neues den Weg anzutreten, um die Scheibe zu kaufen? Die Freude war umso größer, als ich feststellte, dass es sich bei der LP-Version um eine Auflage in rotem Vinyl handelte! Wenn sich da das Herz des auf konventionellem Wege (und sich vermeintlich im Aus- sterbensprozess befindenden) Musiksammelnden bloß mal nicht überschlägt! Doch der außerordentlich hübschen Optik nicht genug, gefiel mir die Platte auch noch auf Anhieb ziemlich gut; innerhalb kürzester Zeit löste ein Ohrwurm des Albums den nächsten ab. Ich war gespannt auf das Konzert.Es war mir – zu meiner eigenen Freude – gelungen, zum Zwecke der Live-Begutachtung drei äußerst liebenswürdige, neugierige und interessierte Begleiter/innen zu finden. So trafen wir uns an besagtem Abend um halb neun vorm Jazzhaus, und bis die aktuellsten Neuigkeiten ausgetauscht und noch flugs die eine oder andere Zigarette geraucht war, ging zum wiederholten Male in meiner Konzertgängerkarriere exakt bei Betreten des Saales das Vorprogramm zu Ende. Dies ließ uns weiteren Raum für noch mehr Konversation, bis nach weiteren etwa 20 Minuten das Duo im recht gut gefüllten Keller mit den jedoch unsäglich lästigen Säulen die Bühne betrat.

Brezel Göring eröffnete den Reigen mit einer rasanten Ansage, in der er über die ungefähr 15 Musikstile informierte, die im folgenden geboten werden sollten, dann nahm er die selbst- gebastelt aussehende Gitarre zur Hand, stellte den Beat an und sie begannen das Konzert klassisch mit dem Opener des aktuellen Albums. Seine höchst charmante Mitstreiterin Francoise Cactus beschränkte sich zu Beginn noch aufs Singen, nahm aber bald (und im Laufe des Abends noch des öfteren) hinter dem in der Bühnenmitte aufgestellten Schlagzeug Platz, spielte Trompete und bediente auch mal eine herzförmig- rote E-Gitarre. Letzteres quittierte sie danach schelmisch mit den Worten: „Gitarre spielen ist einfach geiler!“ Überhaupt, wenn die Dame mit dem entzückenden französischen Akzent sprach oder sang, konnte man den Charme förmlich durch den Raum schlendern sehen. Es gab keine Chance, sich dem zu entziehen. Dabei blieb sie stets ebenso gelassen wie sympathisch, holte hin und wieder Verstärkung aus dem Publikum auf die Bühne, hier zum Tanzen oder da zum Mitsingen, kurz: sie feierte schlichtweg eine Party mit den zahlenden Gästen.Herr Göring mit dem Backwarenvornamen gab sich ebenfalls keine Blöße als Entertainer, nutzte nicht nur die ganze Breitseite des vorhandenen Bühnenraumes für seine Ausflüge, während derer er auch mal Wände, Decke, Lautsprecherboxen und Lüftungsrohre mit Drumsticks als perkussive Instrumente benutzte, er ließ sich außerdem auch mit Freude als Stagediver vom Publikum durch dasselbe und wieder zurück zur Bühne transportieren, was er immer wieder mit kleinen, ekstatischen Aufschreien quittierte.Doch bei alldem kam auch die Musik bei weitem nicht zu kurz, die in der Tat eine Vermengung verschiedenster Spielarten zu einigen wusste. Von Elektro-Pop über Punk, Achtziger-Jahre- Plastik-Sound, Indie-Rock-Pop, schrammelgitarrengaragigem bis hin zu (natürlich) Elementen des französischen Chanson reichte die Bandbreite. Die in deutsch, französisch und englisch dar- gebotenen, sich meist rund um die Liebe drehenden Texte bordeten nur so über vor Ironie, Witz, schlichter Kreativität und – ich wiederhole – Charme. Und enthielten sicherlich nicht selten mehr Wahrheit, als so mancher im Raum (und nicht nur dort) gerne hören mochte.Zwar spielten sie nicht alle meine persönlichen Wunschlieder der aktuellen Platte, und wenn ich richtig informiert wurde, betrug das Gesamtset auch gerade mal knappe anderthalb Stunden, doch sei dies ob der Intensität der Performance und der Unterhaltsamkeit des Abends mit Leichtigkeit verziehen.