Suicidal Tendencies – The Art Of Rebellion


Bislang standen sie für Krach aus Kalifornien.

Diese Außenseiterrolle nutzen sie frech: Das neue Album verbindet pure Kraft mit unverschämt schönen Melodien.

Kein Grund zum Selbstmord: Die Suicidal Tendencies um Frontmann Mike Muir gehören zu jenen alternativen US-Gitarrenbands, die mit ihrem kraftvollen Crossover-Krach so erfolgreich gegen die erstarrten Strukturen des amerikanischen Musikgeschäfts angelärmt haben, daß sie den Rebellen-Anspruch mit Fug und Recht im Titel ihres vierten kompletten Albums ironisieren dürfen. Vielleicht ist es das Pech des Quartetts, nicht aus Seattle zu kommen, denn ihre schiere Gitarren-Krafl, die Virtuosität, mit der sie unterschiedlichste Einflüsse, von Psychedelic-Pop („Asleep At The Wheel“), über viel Heavy Metal-Wut („Capfain Stupid“) bis hin zu zarten folkigen Passagen (wie im Intro zu „l’ll Hate You Better“) in ihren Anti-Schubladen-Sound pressen, würden einen Mega-Erfolg auch in Europa rechtfertigen. Noch nicht einmal Produzent Peter Collins (durch Produktionen mit Rush, Queensryche einschlägig vorbelastet) hat es geschafft, ihren Gruppensound vollends zu radiogerechtem Schleiflack-Rock zu glätten. Was dieses Album von seinen doch ziemlich thrashigen Vorgängern „Confrolled ßy Hatred/Feel Like Shit… Deja Vu“ und „Lights… Camera … Revolution“ unterscheidet, ist neben Muirs neuem Mut zur Melodie vor ollem seine Komplexität und sein Detail-Reichtum — es vergeht kaum ein Song, ohne daß er nicht mindestens rwei Mal durch überraschende Breaks, Tempo- oder Rhyfhmuswechsef vollkommen umgekrempelt und mit verblüffenden Arrangement-tdeen ausgestattet würde. Wo die Band früher (wenn auch auch auf herzerfrischende Art) eher simple Thrash-Riffs knüppelte, beweist sie heute beachtliche Virtuosität, Vielseitigkeit und Präzision, wo Mike Muir bislang mit einer geringfügig variierten Brüll-Tonloge auskam, muß er nun in schneller Folge sanft singen, rüde schimpfen, schreien und in zappaeskem Erzählton ironische Kommentare zum Lauf der Welt von sich geben. Eine vergleichbare Entwicklung vom genialisch Primitiven zum mitsingbaren Genie-Werk haben schon viele Bands durchgemacht — aber kaum eine hat dabei ihren Biß und ihre Power behalten. Den Suicidol Tendencies ist dieses Kunststück gelungen. Weil sie darüberhinous diesmal auch noch mit fabelhaftem Hit-Material und interessanten Texten aufwarten können, ist „The Art Of Rebellion“ bisher eines der besten Alben, das die derzeit so produktive US-Szene in diesem Jahr hervorgebracht hot. (es)

Anpassung ist Selbstmord

Das Credo der Suicidal Tendencies ist nicht neu. Doch Sänger Muir meint es wirklich ernst: „Es geht letztendlich nur darum, an dich selbst zu glauben. Zu wissen was du tust, warum du es tust, um es dann schließlich in die Tat umzusetzen. “ Berechnung statt Spontaneität? Immerhin war es den Punk/ Metal-Pionieren vergönnt, als Indie-Band die Pop-Charts zu stürmen, der erste Hardcore-Video-Clip, der je auf MTV gesendet wurde („Institutionalized“), ging ebenfalls auf das Konto der Kalifornien Das Album „Lights … CaEt-Traihtr auf Ertolglkuu: hart* Hilf von bttsen Buben mera… Revolution“ wurde 1991 als „Bester Metal-Act des Jahres“ gar für einen „Grammy“ nominiert. Auch ihr Gastauftritt in der Kokain-Seifenoper „Miami Vice“ verwirrte die Puristen im Lager des Independent-Rock. Doch dahinter OISCOGRAPHIE 1983 SUICIDAL TENDENCIES 1987 JOINTHEARMY 1989 CONTROLLED BY HATREO/FEEL UKE SHIT… DEJA VU (EP) 1990 LIGHTS … CAMERA …

REVOLUTION steckt keine marktgerichtete Anpassung, denn die Suicidal Tendencies vereinen mehr denn je hehre Rock ’n‘ Roll-Tugenden: Sie sind laut, aufregend, sie sind absolute ßühnentiere und zutiefst autoritätsfeindlich. Die ironische Distanz zu modischem Pseudo-Rebellentum beweist, daß den Rockern aus L.A. der Nirvana-Zeitgeist keinen Pfifferling wert ist. (usj

Alptraum Nirvana: Mike Muir schimpft

Mike Muir weiß nicht, ob er über die Veränderungen in der amerikanischen Rockszene lachen oder weinen soll. Obwohl er und seine Band mit ihrem 1987er Album „Join The Army“ als erster reiner Indie-Act in die Billboard-Charts der „Top 100“ einbrachen, will er sich nicht „die Federn dafür an den Hut stecken, daß die Szene hier so viel offener geworden ist und nicht mehr nur Mainstream-Kacke akzeptiert.“ Aber die neue Liberalität hat für Muir auch eine bittere Kehrseite: Jetzt ist es plötzlich das Ding, cool und rebellisch zu sein. Alle benehmen sich wie die Hippie-Ausgabe von James Dean!“ Darauf spielt auch der Titel ihres neuen Albums an: .Damit wollten wir alle diese Typen auf die Schippe nehmen, die sich krampfhaft bemühen, tierisch rebellisch zu wirken.“ Und trotz des guten Vorsatzes, nicht auf Nirvana zu schimpfen, bricht es aus ihm heraus: .Die rühmen sich damit, daß sie angeblich kein Image verkaufen und keinen Personenkult betreiben — und dann siehst du sie ständig bei irgendwelchen TV-Interviews, im ,Rolling Stone‘, in jeder dritten Tageszeitung. Das ist doch lachhaft!“ Mike Muir hat andere Vorstellungen: „Wir wollen angesagt sein, weil wir gute Musik machen, nicht weil wir cool sind! Deshalb haben wir ein Album eingespielt, das echte Substanz hat, das vor allem man in jeder Stimjvung hören kann.“