The Cranberries


NACH ZWEIEINHALBJÄHRIGER BÜHNENABstinenz versuchen es die Cranberries mit einigen Warm-up-Gigs kreuz und quer durch Europa – ein Test für die eigene Belastbarkeit sowie für die Resonanz eines Publikums, das dem letzten Album „ToThe Faithful Departed“ die kalte Schulter gezeigt hatte. Davon ist heute nichts zu spüren. Die Große Freiheit ist ausverkauft, die Stimmung ausgelassen und spätestens, als Dolores O’Riordan die ersten Akkorde von „Promises“ anstimmt, ist klar: Die Band ist motiviert bis in die Fingerspitzen und somit auch viel druckvoller, als bei der fatalen Herbst-Tour ’96, die sie letztendlich wegen Erschöpfung abbrechen mußten.

Das wird allein schon an der blendenden Verfassung von Sängerin Dolores deutlich. Die 25jährige spielt Gitarre, Keyboards und tänzelt über die Bühne, als wüßte sie gar nicht wohin mit ihrer Energie. Dabei wirkt sie attraktiver denn je – kein bleiches Knochengestell in extravagantem Fummel, sondern eine zierliche Blondine mit Glitzershirt, Minirock und Cowboy-Boots. Als adretter Kontrollfreak, der den Mixer mit immer neuen Wünschen in den Wahnsinn treibt und die Mitmusiker zu Statisten degradiert, läßt Miss O’Riordan keinen Zweifel daran, daß dies ihre-und nur ihre -Band ist. Eine Rolle, mit der Drummer Fergal Lawler und die Gebrüder Noel und Mike Hogan zufrieden scheinen. Sie agieren brav im Hintergrund und haben das gewisse Garnichts. Andererseits kommen sie dadurch aber auch nicht in so peinliche Situationen wie ihre Chefin. Die singt und spielt sich im Verlauf des 7ominütigen Sets derartig in Rausch, daß sie bei „Salvation“ gar von der mannshohen Bühne springt, sich schreiend vor die Massen stellt – und dann nicht wieder zurück findet. Doch Madame ist Vollprofi: Sie wartet bis zum Ende des Songs und nutzt die kurze Scheinwerfer-Pause, um sich mit Mühe auf die Bretter zu ziehen. Ansonsten gibt sie sich an diesem Abend keine Blößen: Weltverbesser-Balladen wie „Bosnia“ oder „War Child“ sind aus dem Repertoire verschwunden, dafür gibt’s acht Kostproben vom neuen Album „Bury The Hatchet“ sowie die alten Hits: „Ode To My Family“, „Linger“, „Zombie“ und – als letzte von drei Zugaben – „Dreams“. Ein Programm, mit dem nichts schiefgehen kann: kurz, schmerzlos und zupackend. Im Herbst folgt der obligatorische Nachschlag durch die hiesigen Hallen.