The Rasmus Hamburg, Docks


„Lauriiiee! “ und seine Kumpels spielen grauenhaften Pop-Metal, betreiben aber musikalische Fruherziehung. Das ist begrüßenswert.

Auf der Reeperbahn steht Herr Lotzmann aus Oldenburg und guckt irritiert. Herr Lotzmann ist 42, und seine 12-jährige Tochter Lisa ist eben mit einem Rudel anderer Mädchen gegenüber ins Docks gerannt. „Sie hat nicht mal Tschüs gesagt“, sagt Herr Lotzmann. Heute morgen hat er sich zwei Stunden mit ihr darüber gestritten, ob 12-Jährige schwarzen Lidschatten tragen dürfen oder nicht. Dann gab er auf. Und jetzt steht er hier rum. Er ist nicht allein. In kleinen Gruppen warten Eltern drinnen und draußen auf ihren Nachwuchs. Drin sind sie daran zu erkennen, dass sie mindestens dreimal so alt sind wie die meisten Besucher und, statt auf die Bühne zu gucken, sorgenvoll die Kinder beobachten, die dicht gedrängt davor toben und „Lauriiiee!“ schreien. Lauri ist ein Jüngling mit zerrupften schwarzen Haaren und einer großen Stimme. Lauri ist der Chef von The Rasmus. Er singt: „I’d rather kill myself than turn into their slave“, und seine drei Mitmusiker machen Stadionrock dazu. So viel Begeisterung auf einem Rockkonzert hat man schon lange nicht mehr gesehen. Dabei ist die Musik, mit Verlaub, Grütze. Reifibrett-Pop-Metal, noch schlimmer als HIM. Jedes Stück klingt gleich und versucht ein einziger Refrain zu sein. Das musikalische Grauen – nur nicht für Kinder. Für die ist ein Konzert von The Rasmus der absolute Oberknaller. Und das ist gut so. Wäre doch zynisch, von Teenagern zu verlangen, Nine Inch Nails zu hören, wenn sie mal zu düsterem Krach abgehen wollen. Und isl doch eine feine Sache, wenn 12-Jährige ekstatisch schreien, wenn auf der Bühne E-Gitarren wummern und ein Slacker-Typ davon singt, niemals sein Leben aufgeben zu wollen – ungeachtet der Tatsache, dass er sich im nächsten Stück widerspricht. Wer mit 12 The Rasmus hört, der hört mit 16 vielleicht Marilyn Manson und mit 18 Nine Inch Nails. Die Eltern sehen das natürlich nicht so. Die Eltern im Docks gucken ganz komisch, als Lauri sagt: „Do you want to die? The nextsong is called ‚Funeral Song‘. „Sollen sie mal. Ist ja ihre Schuld, wenn ihr Nachwuchs selbstmordgefährdet ist. Dann ist Schluss. Die Teenager schieben sich aus dem Docks zu ihren Eltern. Herr Lotzmann schließt seine Lisa in die Arme, die sagt: „Die Gitarre war etwas laut, aber ich glaube, dass finde ich geil.“ Herr Lotzmann lacht.