Uriah Heep: Uriah Heep im ME-Interview


Seit Erscheinen ihres ersten Albums im Jahre 1970 haben Uriah Heep in Deutschland eine große Schar treuer Fans hinter sich. Zu echten Topstars zwischen Nordsee und Alpen stiegen die Briten allerdings erst in den vergangenen Monaten auf: Seit kurzem tummeln sich gleich zwei Singles von ihnen in den deutschen Hitlisten. Mit dem aktuellen Verkaufserfolg des Heep-Klassikers "Lady In Black" sowie der jüngsten Platte, "Free Me", kassiert die Band den Lohn für ihre Bemühungen, das musikalische Niveau ihrer Konzerte und Platten nach dem Rausschmiß von Sänger David Byron wieder anzuheben. Über den folgenreichen Besetzungswechsel und über das aktuelle Soundkonzept sprach Christian Stukenberg in London mit Ken Hensley und John Lawton.

ME: Sag mal John, auf welche Weise hast Du nun eigentlich den Job von David Byron ergattert?

John: Das war so: zufällig hörte ein Roadie von Heep eine Platte von Lucifers Friend, besorgte die Scheibe und spielte sie Ken vor. Daraufhin erhielt ich einen Anruf in Hamburg und wurde gebeten, ein Demoband zu besingen. Das war’s. Ken: Nicht ganz. Immerhin haben wir über vierzehn Tage gebraucht, bis wir John in Hamburg ausfindig machen konnten. Wir hatten einen neuen Sänger und suchten händeringend nach ihm, wie nach der Nadel im Heuhaufen.

ME: John, Du warst ziemlich unzufrieden mit Deiner Arbeit bei Les Humphries; am Ende gab es Streit und ein paar recht böse Worte in einem Interview mit einer Hamburger Zeitung. Bestehen trotzdem noch Kontakte zur dortigen Szene?

John: Wenige. Das liegt daran, daß ich jetzt da reichlich „Freunde“ habe, die alle den Uriah Heep-Sänger kennen wollen, Leute, für die ich als Les Humphries-Chormitglied völlig out war. Das ärgert mich. Einer der wenigen, die normal geblieben sind, ist Udo Lindenberg.

John Lawton: „Bei den ersten Konzerten mit Uriah Heep hab‘ ich mir Watte in die Ohren gesteckt!“

ME: Les Humphries hat sein Ensemble stets als uneingeschränkter Diktator gemanagt, Uriah Heep ist eine sehr demokratische Band. Fiel es Dir schwer, eigene Initiativen zu entfalten, gab es Anfangsschwierigkeiten?

John: Ja, bei unseren ersten Auftritten habe ich mir Watte in die Ohren gesteckt; diese Phonstärken war ich nicht gewöhnt. Inzwischen ist die Band ruhiger geworden. Wir setzen zum Beispiel neuerdings auch akustische Gitarren ein. Ich selber spiele eine Acoustic auch auf der Bühne. Das gab es bei Uriah Heep noch nicht. Tja… Ken und die anderen haben einige Ideen von mir aufgegriffen, durch die unser Sound weicher und melodischer geworden ist. Ich muß da allerdings aufpassen. Für „Innocem Victim“ hatte ich ’nen Song drauf, der sich zum Schluß als zu kommerziell, zu schlagerhaft herausstellte. Wir mußten ihn rausschmeißen…

ME: Ken, stimmt es, daß Uriah Heep erst durch die Arbeit am vorletzten Album „Firefly“ und an „Innocent Victim“ wieder eine richtige Band geworden ist?

Ken: Ja, was wir die letzten drei, vier Jahre gemacht haben, war ziemlicher Mist. Bad Vibes, wir sprachen kaum noch miteinander. Auf der Bühne klappte das Zusammenspiel nur noch mäßig. Byron wollte weiter den alten Heavy-Rockstil bringen, ich wollte Ideen, die ich schon auf „Eager To Please“ (Ken’s zweite Solo-LP) verwirklicht hatte, miteinbringen. Seit Trevor und John bei uns sind, sind wir alle wieder ein fröhlicher Haufen. Bei“Innocent Victim“ haben wir alle gemeinsam die Produktion bewältigt.

HEEP Wieder im Aufwind

ME: Ihr scheint euch einen Ghostwriter zugelegt zu haben. Wer ist dieser Williams, der ein paar Stücke von „Victim“ geschrieben hat?

Ken: Chuck Williams ist ein amerikanischer Songschreiber, den ich bei unserer letzten US-Tournee kennengelernt habe. Ich meine, er komponiert sehr originell. Er ist noch sehr jung, aber sicher ein großes Talent.

ME: Wie steht es mit Deinem Hobby, den Rennwagen, Ken? Wie kommt überhaupt ein Rockmusiker dazu ins internationale Geschäft mit den schnellen Schlitten einzusteigen?

Ken: Erstmal: inzwischen ist es kein Hobby mehr. Ich mußte ein Geschäft draus machen, weil die Sache sonst ein zu teurer Spaß geworden wäre. Angefangen habe ich damit, als ich dachte, daß es mit Uriah Heep aus sei. Also vor etwa zwei Jahren. Jetzt ist es ein angenehmer Ausgleich zum Rockbusiness, den ich brauche, denn die Welt des Rock n Roll allein ist etwas zu begrenzt.

Auf Tournee mit einer Schlange aus Pappmache

ME: Auf eurem Tourneeplan stehen für Januar Konzerte in Deutschland. Was kann man erwarten?

Ken: In erster Linie wollen wir natürlich „Innocent Victim“ populär machen; deshalb besteht der Löwenanteil der Show aus Stücken von dieser Platte. Die alten Hits wie „Lady In Black“ und „Gypsy“ werden wir auch spielen, na klar. Es gibt eine komplette neue Lightshow, und eine riesige Schlange aus Pappmache wird uns begleiten.

ME: Uriah Heep hat in Deutschland eine sehr große Anhängerschaft. Eure Bindung an die Deutschen scheint stärker zu sein, als an andere Völker. Woran liegt das? Ken: Die Deutschen sind ein beständigeres Publikum als zum Beispiel die Amerikaner. In den Staaten kann ein einziger „flop“ in den Charts, können ein paar mißlungene Konzerte genügen, und die Fans wenden sich ab von der betreffenden Gruppe. Wir müssen die Amerikaner nun auch erst wieder zurückgewinnen. Die Deutschen sind anders. Sie nehmen Neuerungen nicht gleich krumm, gewöhnen sich an einen neuen Sound und harren geduldig aus, auch wenn mal ein Jahr lang kein Album rauskommt. Wir alle mögen die Deutschen und euer Land, besonders den Süden.