Weezer: Promi-Party Statt Indie-Getuschel


Früher war ein neues Weezer-Album ein Aufreger. Mittlerweile bleibt selbst der vermeintliche Ober-Nerd Rivers Cuomo gelassen, lässt sich Kritik gefallen und plaudert unverkrampft über seine Kooperationen mit R&B-Kings, TV-Komikern und seinen Fans.

Rivers Cuomo gibt ein skeptisches „Hhmm“ von sich. Sein Gesprächspartner hat ihm gerade gestanden, bislang nur sechs Songs von Raditude gehört zu haben. Die nachfolgende Einordnung dieser Tracks als klassische Weezer-Rocker mit eingängigen Melodien und kraftvollen Refrains stößt auf ähnlich viel Begeisterung: „Mm-hm.“ Erst die Versicherung, er habe damit doch einen guten Job gemacht, hellt seine Stimmung ein wenig auf: „Oh, danke!“

Cuomo ist nicht unfreundlich, oder gar misstrauisch gegenüber Journalisten, wie er es früher war, wie nach dem Release des „Grünen Albums“ (2001). Der Weezer-Chef plaudert freimütig, ist jedoch ein bisschen enttäuscht darüber, dass der Autor in den ihm vorliegenden Stücken nicht die „rad attitude“ („krasse Geisteshaltung“) erkannt hat, mit der seine Band an ihr siebtes Studioalbum herangegangen ist. Krass mutet an Raditude auf den ersten Blick nur die Wahl des Albumtitels an. Es zeugt von Mut, ein so plumpes Wortspiel tatsächlich auf ein CD-Cover drucken zu lassen (aber auch von Freude an schlechten Witzen). Andererseits ist weder Cuomo noch ein anderes Weezer-Mitglied auf dieses Konstrukt „Raditude“ gekommen, sondern Rainn Wilson. Der Schauspieler mimt den Büro-Nerd in der US-Version von „Stromberg“. Mit Cuomo ist der 43-Jährige seit ihrem gemeinsamen Akustikcover von Joan Osbournes „One Of Us“ im Frühling dieses Jahres befreundet. Als es darum ging, einen Albumtitel zu finden, rief Cuomo Wilson an: „Er mag zwar bisweilen etwas nerdig rüberkommen, aber er hat dieses Alter Ego, in dem er der total selbstsichere Rockstar ist“, sagt Rivers. Und dieser total selbstsichere Rockstar servierte dann „Raditude“.

„Als Rainn den Titel vorschlug“, erläutert Cuomo, „erklärte er nicht, was er zu bedeuten hat. Mittlerweile habe ich meine eigene Definition gefunden. Für mich steht ‚Raditude‘ dafür, dass du dich so sehr auf das, was du tust, fokussierst und konzentrierst, dass du plötzlich in der Lage bist, all die Dinge zu tun, von denen du nie gedacht hättest, dass du sie tun kannst. Diesen Bewusstseinszustand erlange ich jeden Abend auf der Bühne. In der Mitte des Sets bin ich dann so weit, dass ich diese wahnsinnigen Soli spiele, die ich normalerweise nie spielen könnte. Oder die irren Sachen mit meiner Stimme. Das ist für mich ‚Raditude‘. Und ja, dieser Geist durchdringt diese Platte.“

Noch ein Geist, der Raditude laut Cuomo durchdringt, ist der der Experimentier- und Kollaborationsfreude. Zwar scheinen Weezer beim Songschreiben im Vergleich zum „Roten Album“ (2008) wieder verstärkt auf Strophe-Refrain-Schemata zu setzen. Allerdings rückt Cuomo noch mehr von seiner Songwriter-Hoheit ab. Schlagzeuger Patrick Wilson durfte erneut ein Stück beisteuern, sieben Lieder hat der Weezer-Frontmann zusammen mit Freunden geschrieben. „Ich finde, was Experimente und Kollaborationen angeht, machen wir auf Raditude da weiter, wo wir auf dem ,Roten Album‘ aufgehört haben. Aber diesmal geht es in eine andere Richtung. Ich wollte unbedingt mit verschiedenen Produzenten und Songwntern aus unterschiedlichen Genres zusammenarbeiten. Das war eine echte Herausforderung. Zum Beispiel habe ich ‚Can’t Stop Partying‘ mit Jermaine Dupri geschrieben, dem King of R&B. Im Prinzip brachte er einen Hip-Hop-Text mit, also musste ich einen Weg finden, diesen zusammen mit dem, was Weezer machen und lieben, gut klingen zu lassen. Diese Kombination war ein tolles, neues Weezer-Experiment.“

Ein Nutznießer der Raditude-Sessions ist Josh Freese (A Perfect Circle, Devo). Weezer ließen den viel beschäftigten Studiodrummer für einige Songs ans Schlagzeug. Stammtrommler Wilson interessiert sich immer mehr dafür, Gitarre zu spielen. Cuomo zufolge macht er das fantastisch, weswegen „das viereinhalbte Bandmitglied“ Freese nun gelegentlich auch bei Konzerten trommeln und Wilson in die Saiten greifen darf. Neben dem Austausch mit anderen Musikern suchte Cuomo in den vergangenen zwei Jahren immer öfter den Kontakt zur Fangemeinde. Zwei Anstrengungen sind hierbei besonders hervorzuheben: Einerseits veranstaltete der Impresario Coversessions mit Fanclubmitgliedern, bei denen sich die Anhänger aussuchen durften, welche Songs sie zusammen mit Cuomo interpretieren wollten (eines dieser Get-together wurde aufgezeichnet und soll demnächst unter dem Titel „Live At Fingerprints“ auf DVD erscheinen). Andererseits bezog der einstige Metalhead seine Anhängerschaft sogar ins Songwriting mit ein. Cuomos YouTube-Serie „Let’s Write A Sawng“ und sein dabei mit Stolz getragener Schnauzer dürften inzwischen Kultstatus haben: Dabei postete der gebürtige New Yorker eine Songidee auf dem Videoportal und hielt Fans dazu an, mit kompositorischen Ergüssen zu antworten. Weezer nehmen das Ergebnis dieser interaktiven Liedermacherei gerade auf, hören kann man den Song „Turn It Up“ nächstes Jahr. Dann veröffentlichen die Powerpop-Rocker auch ihr achtes Album: Odds & Ends, eine Sammlung von Weezer-Songs, die es nicht auf die bisherigen Platten geschafft haben. Erstaunlich, dass Weezer weiterhin vor allem Stücke abliefern, die man schon zu kennen meint: von Weezer nämlich. Nach 17 Jahren weiß die Band, was sie mag und kann – und was nicht. Cuomo beschäftigt sich offenbar auch nicht damit, was im Indierock gerade so angesagt ist: „Ich bin kein Fachmann des Indierock. Ich weiß darüber weniger, als ich vielleicht wissen sollte.“ Er möchte eben auch nicht auf ein Genre festgelegt sein, sagt er dann noch. Und macht die Tür deshalb weit auf -für Hip-Hop, Jermaine Dupri und Josh Freese. Und was sagt darauf der Weezer-Fan? Er sagt: „Hhmm.“