Bryan Ferry: Los Angeles, Wiltem Theater


Okay, da wird es jetzt welche geben, die sagen, dass Bryan Ferry schon immer mit Retro-Klassikern geflirtet hat, und dass es nur eine Frage der Zeit war, bis daraus eine leidenschaftliche Affäre werden würde. Stimmt. Die Affäre ist jetzt voll im Gange: auf seinem aktuellen Album „As Time Goes By“ covert der ehemalige Roxy Music-Sänger Songs der 30er Jahre, und nimmt sich da mit wahrhaft leidenschaftlicher Intensität eines Stoffes an, der älter ist als er selbst mit seinen 54 Jahren – ein Stoff, der zu einem „Dasein als Fahrstuhlbeschallung“ (Ferry) verurteilt schien. Abstecher in die große Swing-Ära sind für den bekennenden Fan von Billie Holiday und Dizzy Gillespie freilich kein Novum. Bereits 1973 entriss Ferry auf seinem Solodebüt „These Foolish Things“ musikalische Schätze dieser Zeit ihrem Schattendasein. Mal verspielt, mal romantisch, gern auch kitschig, aber immer authentisch gibt sich der einstige Roxy Music-Frontmann auf seiner Platte, und auch die dazugehörige Bühnen-Show bleibt stilvoller Authentizität verpflichtet. Brimborium muss draußen bleiben, einzige Bühnendekoration des in den 30er Jahren gebauten Wiltern Theaters ist ein Sternenhimmel als Hintergrund. Das reicht, um eine Atmosphäre zu schaffen, in der sich selbst Cole Porter und Kurt Weill wohlgefühlt hätten. Zunächste betritt eine Blondine in knatschenger Lederhose und Tanktop die Bühne um ein zartes Harfenintro vorzulegen. Nach und nach gesellt sich zu ihr der Rest des 13-köpfigen Orchesters. Erst nach gut einer Viertelstunde zeigt sich dann der Crooner höchstselbst, begleitet vom mitreißenden Intro zu „The Way You Look Tonight“. Das Publikum springt aus den Plüschsitzen, sinkt aber ob der darauffolgenden moderaten Klänge schnell wieder darin zurück. Mr. Ferry ist ganz klar in der „sentimental mood“, die der Rahmen der Veranstaltung verlangt. Da ist das nostalgische „Easy Living“, das pointierte „Where Or When“, der wehmütige „September Song“, das prickelnde „Just One Of Those Things“. Vergebens wartet man auf Hits von Roxy Music. Mit schmachtendem Blick phrasiert Ferry in bester Schnulziermanier und liest dabei die Texte von einem Spickzettel auf dem Notenpult ab. Mitunter legt er einen graziösen Tanzschritt aufs Parkett oder packt die Luft(Jazz)gitarre aus, wie bei „Lover Come Back To Me“. Ist die visuelle Darbietung ein etwas pathetisches Gaukelspiel, so überzeugt das Musikalische um so mehr: das eigens aus London angereiste Orchester liefert einen exzellenten Klang, Ferry meistert die Songs – teilweise im Original von Frauen gesungen – mit Bravour. Und ganz leer gehen die Roxy-Fans dann doch nicht aus. Zum Schluss gibt Ferry „Avalon“ und „Jealous Guy“. „Roxy rocks!“ konstatiert ein eher enttäuschter Fan beim Verlassen des Wiltern. Das mag schon sein, aber dazu waren wir ja heute auch nicht da.