Gebrüder Engel – Skandal

Die Mehrzahl der Songs lag länger als ein Jahr auf Eis. ehe das kleine Sky-Label zugriff. Die Titel „Fassade/Skandal“ waren bei der EMI bereits als Single gepresst. wurden aber wieder „liquidiert“. Beim NDR stehen die Gebrüder Engel seither auf der Schwarzen Liste. Stoltenbergs Drohung, den Staatsvertrag mit dem Norddeutschen Rundfunk zu kündigen, hatte die Verantwortlichen wohl davor zittern lassen, die „Verunglimpfung“ eines Politikers über den Äther zu schicken. Denn die Engels haben sich anläßlich der Serie von „Lau seh angriffen“ mal ein paar Gedanken darüber gemacht, wie es einem Politiker ergeht, der heimlich bei einer kleinen Privat-Orgie fotografiert wird…

Gegen den hervorragenden und vor allem professionell gespielten Rhythm’n’Blues der Gebrüder Engel Band hatte bei der EMI wohl keiner etwas einzuwenden. Wohl aber gegen eine allzu offene Behandlung des Themas Sex? Weil sie sagen, daß Sex Spaß machen oder ganz link zur Leistung umprogrammiert werden kann? Weil sie Schlagzeilen aus der Bildzeitung herbeten? (Authentische!). Oder gilt es als Aufruf zu Gewalt, wenn man Typen, die verlogen um die Gunst des kleinen Mannes buhlen, die „Fassade“ einschlagen will? Neu im Engel-Repertoire sind, glaube ich. „Das muß weg“, eine differenzierte Betrachtung zum Thema Abtreibung, und „Schneller Brüter-Stiller Töter“, ein Liedchen für Bosse der Atomindustrie, die uns heute belügen und für den Ernstfall ihren eigenen kleinen Bunker im Hinterhalt haben. Jetzt vielleicht noch ein Song über Nazis im Staatsdienst, und wir Plattenkäufer bekommen alle unsere Akte im BKA.

Ich bin normalerweise skeptisch, wenn einer sozialkritisch wird. Bei den Gebrüdern Engel geht das aber weitgehend ohne die üblichen, peinlich formulierten Platitüden. Wenn’s wie bei „Mach mich an“ platt klingt, dann hat das auch seinen Grund, weil hier ganz einfach die primitiven Macho-Typen verarscht werden. Ein wenig billig, weil unter dem Gesamtniveau der Platte, finde ich „Sie macht es gut“. Einige Texte – die meisten stammen von Thomas Engel und Axel Schulz (der nur textet) – sind nämlich richtig inspiriert! Statt unverholener Angriffslust kreative Geistesblitze, und das ist es eigentlich, was mir an der LP am besten gefällt.

Außerdem: Text und Musik passen gut aufeinander, Ähnlichkeiten mit einem livehaftigen Deutschrocker tauchen absolut nicht auf. Der Sound stimmt, denn es sind Profis am Werk: Bertram Engel drummt bekanntlich bei Lindenberg, der auch der Brötchengeber von Steffi Stephan (Baß und Gitarre) ist. Im Studio halfen an den Gitarren noch Karl Allaut und Thomas Kretschmer aus. Chefdenker ist eindeutig Sänger Thomas Engel, der wie gesagt oft mit Axel Schulz an den Texten arbeitet.

Musikalisch, finde ich, gibt es kaum etwas auszusetzen. Bluesinspirierte Musik wird von einheimischen Bands vernachlässigt, darum tut sich für die Engels hier eine Marktlücke auf. Dasselbe gilt für die Thematik der Songs. Kritisch wird’s, wenn soetwas zum Selbstzweck wird. Deshalb sind so ein paar alltägliche, aber nicht minder relevante Stimmungsbilder wie „Ich pfeif aus dem letzten Loch“ für das Konzept der LP vermutlich wichtiger als eine an den Haaren herbeigezogene Anmache.