Eddy Grant – Prinz von Barbados


Zielstrebig und ehrgeizig hat er seinen Lebenstraum verwirklicht. Von der Karibik-Insel Barbados aus herrscht Eddy Grant über sein eigenes Musik-Imperium - mit Studio, Plattenfirma und sogar Preßwerk. Doch ausruhen auf seinen Lorbeeren will er nicht. Während sich die Touristen in der Sonne aalen, macht der clevere Business-Mann Überstunden im Paradies. ME/ Sounds besuchte ihn in seinem Studio.

Es steht heute noch, das klotzige Herrenhaus aus dem 18. Jahrhundert, errichtet auf dem hochsten Punkt einer ansonsten völlig flachen Insel. Sein Erbauer galt als einer der reichsten und brutalsten Plantagenbesitzer der südlichen Karibik. Er lebte vom Zuckerrohr und von seinen Sklaven, von denen er mehr besaß als jeder andere, den es damals in Barbados nach oben spülte. Daß unser Mann nebenbei auch noch Priester war nun, in jenen Tagen war das völlig normal.

Nun hat Barbados mit Sklaven-Rebellionen weit weniger Geschichte gemacht als etwa Jamaica, wo die Nachfahren der Ashanti und Mandingo-Stämme ganze Regimenter britischer Truppen zusammenschössen und bis in dieses Jahrhundert hinein das schwer zugängliche Gebirgsmassiv im Insel-Inneren kontrollierten.

In Barbados dauerte es bis 1816, ehe der erste große Sklaven-Aufstand stattfand – und es war sicher kein Zufall, daß er auf eben jener Plantage seinen Anfang nahm, um die es hier geht. Sogar der mächtige, fast abgestorbene Baum vor der Veranda steht noch, an dem seinerzeit die Anführer der Revolte gehängt wurden.

Ein wenig makaber ist es schon, daß es heute ausgerechnet Eddy Grant ist, dem das Anwesen gehört.“.Ich habe die Geschichte dieses Ortes selbst erst erfahren, als ich ihn gekauft hatte. Und wenn schon… ich habe in meinem Leben selten einen so paradiesischen Besitz gesehen. „

Eddy Grant hat wahrhaftig lange genug gebraucht, um so weit zu kommen. Barbados ist sein Reich. Von der Viertelmillion Menschen, die hier leben, ist er der prominenteste: davon kann man sich schon auf der Fahrt vom Flughafen überzeugen: Fast jede halbe Stunde läuft „Electric Avenue“ im Radio, meist noch begleitet von Kommentaren wie: „Gute Nacht, Eddy – grüß deine Frau Ann und die Jungs von uns.“

Frühmorgens um Acht, wenn die Strände wirklich noch so leer sind wie auf den Ansichtskarten, zeigt sich Barbados von seiner angenehmsten Seite. Man döst an der Poolbar und überlegt angestrengt, welchen Punch man als nächsten herunterkippt. Irgendwo läuft ständig Musik – Soca. Reggae, die letzten New Yorker 12″-Singles und immer wieder „Electric Avenue“.

Von den inneren Spannungen, die z.B. Jamaica in den vergangenen Jahren so schwer erschütterten, ist hier wenig zu spüren. Alles in Barbados läuft fast unwirklich ruhig. Wenn sich die öffentliche Meinung an einem Thema entzündet, dann geht es beispielsweise um Strände, die entgegen allen herrschenden Gesetzen plötzlich nicht mehr für jedermann zugänglich sein sollen.

Der populärste Song, der je in Barbados entstand, handelt davon: Mighty Gabbys Soca-Hit „Jack“. Es heißt, daß die Platte in jedem Haushalt steht.

Mighty Gabbys Förderer und Produzent war – wie könnte es anders sein – Eddy Grant. Mit dieser Melodie, die hier jeder auf den Lippen hat, fiel Eddy praktisch die Ehrenbürgerschaft zu. Jeder kennt ihn, jeder redet mit unverhohlenem Stolz von ihm, alle scheinen zu wissen, wo er sich gerade aufhält oder woran er in seinem hauseigenen Studio gerade arbeitet.

Als Verkaufs-Genie hat Eddy Grant schon immer eine gute Figur abgegeben. Auf eine dermaßen absurde Idee, auf der Cover seiner letzten Platte, KILLER ON THE RAMPAGE, Werbefläche für die staatliche Fluggesellschaft und eines der besseren Strandhotels, den „Casuarina Beach Club“, zu schaffen, muß man schließlich ers mal kommen. Und man kann sicher sein, daß er dafür einer angemessenen Preis erhielt.

Eddy Grant ist ein Mann, der so leicht nichts aus der Ruhe bringt. Auch wenn er noch keine zwei Jahre auf Barbados lebt scheint er die Milde und Gelassenheit, die die Mentalität au der Insel beherrscht, in voller Zügen inhaliert zu haben.

Er sieht ungemein gesund und durchtrainiert aus; die sichere, routinierte Art, Fragen zu beantworten, ist die eines Mannes, der sich seiner Position bewußt ist.

Wir beginnen, über „War Party“ zu sprechen, die dritte Single, die KILLER ON THE RAM-PAGE abwarf – und die er selbst als „das beste Stück poetry“ bezeichnet, „das mir je gelungen ist“. Ob er sich den Kopf darüber zerbricht, daß der Song nicht im entferntesten an den Erfolg von „I Don’t Wanna Dance“ oder „Electric Avenue“ herankommt? Ich hätte mir die Frage schenken können.

„Ich mag den Song, ich glaube daran – und wenn ich ihn bloß für mich selbst gemacht hätte…“ Eddy läßt sich in seinen Stuhl zurückfallen, legt die Füße auf den Tisch und starrt mich abwesend an. „Na und? Wenn er hier nicht läuft, dann vielleicht in Peru oder Brasilien. „

Wenn Eddy Grant an eines fanatisch glaubt, dann daran, sich alles selbst zu erkämpfen. Dazu paßt die Bewunderung, die er für Leute wie James Brown, Muhammed Ali und seinen Frend, den Fußballer Diego Maradonna hegt. Er hat diesen zähen und verbissenen Einzelkämpfer-Instinkt – und es ist etwas in seinem Blick, das nicht so recht zu seiner Ausgeglichenheit passen will; vor allem dann nicht, wenn er von den frühen Jahren in England erzählt, als er sich alles nur Menschenmögliche aufhalste, um seine Karriere voranzutreiben.

Alles was er tat, nahm er allein in Angriff. Schon bei seiner ersten Solo-LP (MESSAGE MAN, die ziemlich danebenging, allerdings mit „Jamaican Child“ seine drei grandiosen Minuten hatte) reichte es ihm nicht, alle Instrumente zu spielen, sich selbst zu produzieren und dann auch noch mit dem Aktenkoffer um die Welt zu jetten, um das Album zu vertreiben (was sich besonders in Nigeria auszahlte, wo MESSAGE MAN vergoldet wurde) – nein, die Platte erschien darüber hinaus auch noch exclusiv auf Eddys eigenem Label und wurde in seinem Coach-House-Studio eingespielt, das er kurz zuvor eröffnet hatte. Es dauerte nicht lange, bis er sogar sein eigenes Preßwerk besaß, „um die Wartezeiten zu verkürzen“.

Unabhängigkeit ist ein Begriff, der dauernd in seiner Konversation auftaucht. Und erfand sie nicht erst, als er sich vor zwei Jahren leisten konnte, nach Barbados auszuwandern. Eddy Grant hatte nie nur Ehrgeiz allein – er hatte in gleichem Maße auch das Talent dazu und vor allem Disziplin genug, jeden verdienten Cent umgehend in sein nächstes Projekt zu investieren.

Der Erfolg ist ihm dabei nicht gerade nachgelaufen, aber er kam dennoch schnell: 1966 erreichte er mit dem Bluebeat der Pyramids („Train To Rainbow City“) erstmals die Top 30, zwei Jahre später – er war gerade von der Schule abgegangen und ließ sich sein vielbestauntes weißes Afro-Haar wachsen – schaffte er mit den Equals seine erste Nummer 1, „Baby Come Back“.

Was die Equals zu ihrer Zeit waren, haben sie in einem ihrer späteren Hits treffend auf einen Nenner gebracht: „Black Skinned, Blue Eyed Boys“. Den Instinkt für clevere Popmusik, die sowohl Chancen auf dem weißen wie schwarzen Markt besitzt, hat sich Eddy bis heute bewahrt. „Ich habe gute und weniger gute Platten hinter mir“, meint er, „aber ich stehe zu allem. Wenn mir irgendetwas gefiel, habe ich es benutzt. Musik gehört schließlich jedem, auch wenn sie da in Amerika anders denken. Die fliegen zum Mond, bohren ihr Sternenbanner in den nächstbesten Krater und glauben, sie hätten eine neue Kolonie gewonnen.“

Eddy Grant liebt es, über Barbados zu sprechen: Daß sein Umzug allein dem Klima in England zu verdanken sei, für das er sich nun eben mal nicht geboren fühlt; daß die Insel bloß eine Flugstunde von Guayana, woher er eigentlich stammt, entfernt liegt – er hat die Story xmal erzählt.

Amüsanter finde ich schon die Argumente des Business-Mannes Eddy Grant: „Barbados besitzt, was ich eine gute Infrastruktur nenne. Es liegt zentral, ist politisch stabil – und man genießt den Vorteil exzellenter Flugverbindungen nach Europa, Brasilien und den USA.“

Hat sich sein Tagesablauf geändert, frage ich ihn, seine Art zu arbeiten? „Zunächst einmal ‚- ich arbeite nicht, ich mache Musik. Ich stehe um 6 Uhr früh auf, geh runter zum Strand, spiel ’ne Partie Squash. Zwischen 9 und 12 erledige ich meine Telefonate, eß dann zu Mittag… das wäre so die Zeit, zu der ich mich in London früher überhaupt erst aus dem Bett gekämpft hätte. Dann bleibt mir immer noch der halbe Tag zum Produzieren (im Moment tut er das für die hübsche Marcia Garret von Boney M) oder zum Schreiben. „

Wir werden unterbrochen, als das Telefon klingelt. „Entschuldige“, meint er schmunzelnd, „das muß die Gouverneurin von Barbados sein.“ (Ann, seine Frau, ist gemeint). Ein dringender Termin ruft.

Beim Hinausgehen frage ich Eddy, ob er Schwierigkeiten hätte, von heute auf morgen eine Million Pfund zusammenzubekommen. Er lacht leise vor sich hin, schüttelt seine mächtigen Dreadlocks und nickt. „Natürlich bin ich reich. Ich habe mein Haus und alles, was ich mir überhaupt nur wünschen kann.

Ob ich eine Million auftreibe oder nicht, ist unwichtig. Natürlich könnte ich, nicht unbedingt bis morgen, aber es würde schon gehen. Ich habe schließlich mein ganzes Leben lang höllisch darauf geachtet, keinen Cent zuviel auszugeben.

In London wollte ich kürzlich Schuhe kaufen, probierte ein Paar an – und stell dir vor, was der Verkäufer von mir verlangte: 180 Pfund! Unglaublich!