Radiohead: Berlin, Velodrom


Immer dasselbe mit den Typen: Großartig war es halt wieder.

An den Schwimmern vorbei, die Handballer links liegen lassen und rein unters Raumschiff: Das Velodrom ist ein seltsamer Konzertort, Teil eines Breitensportzentrums. Feierlich eingestimmt auf die bevorstehende gewiss ambitioniert-eindringliche Kunstrockdarbietung stapft man auf dem Weg zur Radfahrerhalle, nur durch eine Glasscheibe von ihnen getrennt, an ihre Hallenbadbahnen ziehenden, ernüchternd wabernden Mitmenschen vorbei. Ein durchaus willkommen antiklimaktischer Bruch, falls man gerade schon wieder dabei war – ist bei Radiohead ja schnell passiert -, es sich allzu schöngeistig zumute werden zu lassen. Dann steht man im kreisrunden Velodrom und die einschüchternd metallgeräderte Hallendecke sieht aus, als senke sich das Zerstörer-UFO aus „Independence Day“ auf uns herab. Ziemlich scheißhässlich, aber auch köstlich surreal, und insofern doch wiederwie gemacht für Radiohead, deren Konzerte ja immer mehr ein Herabsteigen als Auftritte sind. Als sie jetzt unter viel Stroboblitzen auf die Bühne kommen [„2+2=5“ hat „There There“ als Opener abgelöst], wirkt das ganze nicht ganz so überirdisch wie bei den magischen Festivalauftritten im Sommer, zumal es an visuellem Tand neben der großartig abstrakten Flacker-Leuchtstab-lnstallation jetzt noch etwas lieblos an die Bühnenseiten geklatschte 08/15-Videoscreens mit grieseligem Bühnengeschehen gibt. Die Stimmung ist trotzdem schier religiös aufgeladen. Gierig wird jeder Ton aufgesogen, die Tatsache, dass Thom Yorke offensichtlich bestens gelaunt ist, bereitwillig als Kompliment aufgefasst. Vorbei die Zeiten, da Konzerte für die Band emotionale Achterbahnfahrten mit einem neurotischen Sänger am Steuer waren. Gelöst, entspannt, routiniert wirken sie, vielleicht gar ein Eckchen zu gelöst und entspannt für den allerletzten rush of blood in den Kopf. Mit pulsender Körperlichkeit halten sie gegen die gravitätische Atmosphäre. Einmal mehr wird man sich zappelnden Leibes bewusst, welch essenziellen Anteil – von Yorkes Gesang und Jonny Greenwoods Multiinstrumentalismen mal abgesehen – Bassist Colin Greenwood und Drummer Phil Selway an der Radiohead-Musik haben. So geht’s dahin, eigentlich nur Hits, die Band lässt sich, wie der Fachmann sagt, nicht lumpen. 17 Songs im Hauptset und nochmal sechs in zwei Zugabeblöcken „Airbag“ wird nach einem verbockten Anfang von Yorke launig fallengelassen, „that’s the wrong song“, von den großen Bringern fehlen nur „Karma Police“ und „Street Spirit“. Viel reden tut Yorke nicht, dafür grinst er umso mehr, tanzt wie besessen über die Bühne, macht Spaße mit der Kamera, die an sein Piano montiert ist. Ein Portiönchen Polit-Agitation darf’s dann auch sein: Vor der elektrofizzelnden Monsterdämmerung „The Gloaming“ spuckt Yorke das Mantra „Bush – out! -Bush – out!“ ins Mikro, Jonny Greenwood mixt das noch dampfende Sample in den Song. Nach fast zwei Stunden dann „Everything In Its Right Place“, einmal als dekonstruktivistisch gedacht, längst eine Hymne, sogar zum Mitklatschen geeignet. Aber das verbietet gottlob der Ehrenkodex der Radiohead-Gemeinde. Wir sind ja hier nicht beim Handball.