Absolute Giganten – D 1999 :: Start: 30.9.

„Glück ist“, sagt Floyd,“wenn die Lieblingsstelle an einer Schallplatte einen Sprung hat und sich immer und immer wieder wiederholt.“ Für Floyd, die von Frank Giering – mit einem Gesicht zwischen Depp und Dean – mit wenig Worten, dafür aber umso mehr Nachdruck gespielte Hauptfigur von Sebastian Schippers Regiedebüt, gibt es nichts wichtigeres als Musik. Für ABSOLUTE GIGANTEN auch nicht: Wenn Schipper seine drei jugendlichen Helden durch die Hamburger Nacht ziehen läßt, um die letzten Stunden vor dem endültigen Abschied Floyds, der auf einem Frachter angeheuert hat, zu zelebrieren, hat diese schwärmerische Reflektion über das Jungsein, über Freundschaft, über Sehnsüchte und Träume immer Musik im Kopf. Sei es Rock von T. Rex oder Techno von Laurent Garnier, wenn die Jungs Gas geben, oder vom WeilheimerTrio Notwist eigens für den Film komponierte fragile Elektro-Soundkonstrukte, wenn sie sich zurücklehnen: Schipper behandelt seinen Film stets mit Liebe und Sorgfalt wie besagte Lieblingsplatte – und das spürt man in jeder Einstellung: Ob Floyd mit seinen Kumpels, dem ewig labernden Möchtegern-Rapper Rico (Florian Lukas aus DER EISBÄR und ST. PAULI NACHT in seiner bisher besten Rolle) und dem ruhenden Pol Walter (Neuentdeckung Antoine Monot Jr.), in Walters 74er Granada durch die Straßen eiern, sich gegenseitig beim Fußball hochnehmen oder auf dem Gelände einer Autoshow Scheiße bauen und sich den Zorn der in Elvis-Outfit gewandeten Stunttruppe zuziehen – der Regisseur schlägt in diesem filmischen Äquivalent zu den Low-fi-Jams von Pavement mit seinen Anklängen an AMERICAN GRAFFITI keinen falschen Ton an. Klar, die Träume und Wünsche der Freunde sind viel größer als ihr Leben in einer Hamburger Trabantenstadt. Und was da als tollste Nacht ihres Lebens geplant wird, ist oft nur banal und unaufregend. Aber weil es ihre letzten gemeinsamen Stunden sind, wird keiner diese Odyssee der Fehltritte jemals vergessen – zumal sie im ersten, von Produzent Tom Tykwers Hauskameramann Frank Griebe atemberaubend festgehaltenen Tischfußball-Showdown der Filmgeschichte gipfelt. Unmittelbar und unaufdringlich, in sparsamen, genauen Bildern folgt Schipper den Jungs. Was sich da aber zwischen den so unspektakulären Zeilen abspielt, ist unbeschreiblich: Traumwandlerisch fängt ABSOLUTE GIGANTEN die Sehnsucht nach einem Leben ein, das alles sein darf, nur nicht klein und langweilig. Man nenne es schwermütige Romantik für das neue Jahrtausend. Oder Sturm und Drang für die Postrock-Generation. Oder Hamburger Schule auf Zelluloid. Eines ist sicher: ABSOLUTE GIGANTEN läßt einen nicht mehr los und wächst mit jedem Tag weiter. Absolut gigantisch. Start: 30.9.