The Acid


Ry X müffelt ein bisschen. Nicht schlimm, halt so, wie man in Berlin mittags um 12 Uhr riecht, wenn man Vollbart und Unterhemd trägt. Nach einer Nacht irgendwo draußen. Rave. Bisschen schwitzen. Mit dem Taxi von A nach B. Hey schau mal, da kommt die Sonne. Das passt gut zu Ry X, der hat mit „Berlin“ schließlich voriges Jahr eine Hymne auf die Stadt geschrieben und gleichzeitig eine auf die Nacht. Jetzt sitzt Ry X, der eigentlich Ry Cuming heißt, in einem Büro im Prenzlauer Berg und möchte über seine neue Band sprechen. Die heißt The Acid, hat gerade das hervorragende Debütalbum LIMINAL veröffentlicht und ist das, was gerne „All Star Project“ genannt wird, was in dem Fall in die Irre führt. Außerhalb eines sehr eng abgezirkelten Kreises dürften die Namen Ry X, Adam Freeland und Steve Nalepa den wenigsten Menschen etwas sagen. Kurze Erklärung: Freeland ist ein britischer, Grammy-dekorierter Produzent mit Big-Beat-Expertise, auf dessen letzten Alben unter anderem Tommy Lee, Twiggy Ramirez und Joey Santiago zu hören sind. Steve Nalepa ist Professor, der nebenbei – vermutlich für gutes Geld -Promis wie Seal die Benutzung von Ableton beigebracht hat. Wir haben bei The Acid also den sexy Feingeist, der Songs schreiben kann und gerne vom Hippie-Spirit seiner Heimat Topanga Canyon erzählt, den Rumms-Typen von der englischen Küste und den Fachmann mit akademischer Expertise.

Die Geburt von The Acid war ein Zufall: „Ich kenne Adam seit Jahren. Aber wir waren nie enge Freunde. Und dann haben wir uns vor eineinhalb Jahren in Los Angeles wiedergetroffen. Er interessierte sich gerade für Spirituelles, was auch eines meiner Steckenpferde ist. Ich dagegen hatte gerade etwas Zeit in Berlin verbracht und angefangen, Techno zu mögen“, sagt Ry X. „Wir hatten also plötzlich Gesprächsthemen. Wir waren Brüder.“ Interessanter Ansatz: Dass aus der Bruderschaft eine Band wurde, sei ebenfalls Zufall, sagt Ry X. Hätte auch ein Café werden können oder ein Krämerladen. „Wer so eine Verbindung hat wie wir, kann auf allen Ebenen zusammenarbeiten.“ Aber da war eben ein Tonstudio in der Nähe, und in dem arbeitete Steve Nalepa. „Er ist ein Zauberer. Wir hatten ein Gitarrenmotiv, das nahmen wir mit dem iPhone auf und loopten es im Rechner. Dann sang ich irgendwas dazu. Und nach einem Tag war der erste Song im Kasten. Und so ging es weiter. Alles floss.“ Im Februar erschien die erste EP, nun steht LIMINAL in den Regalen. Auf dem Album hört man Dance-Einflüsse, aber auch Downbeat, Field Recordings, aber auch Gitarren.

Ein eklektischer Mix also. Interessant ist indes, was vorher war. Als Ry Cuming veröffentlichte Ry X 2010 ein Solo-Album. Mainstream-Poprock, der ihm unter anderem ins Maroon-5-Vorprogramm spülte, aber floppte. Aufgenommen wurde die Platte ein paar Jahre vorher, entdeckt wurde Cuming als Teenager. Dem Flop folgte die Selbstfindung in Berlin. Tagsüber Yoga, nachts Berghain. „Den Jungs beim Spielen zuschauen. Tanzen, tanzen, tanzen“, sagt Ry X. Und dann „Howling“, die Single mit Frank Wiedemann von Âme. House, das war für Ry X plötzlich keine fremde Welt mehr.

Mittlerweile ist House sein Freund. Wie auch Freeland und Nalepa die Lieblingssongs von Ry X mögen. Einziges Manko am The-Acid-Sound: All das ist so passgenau, dass es in zwei Jahren antiquiert wirken könnte. Aber den Herren wird dann schon etwas anderes einfallen.

Albumkritik ME 7/14

Sänger Ry X wuchs im ländlichen Australien auf, ohne großen Bezug zu Popmusik jenseits der Plattensammlung seiner Eltern.

Adam Freeland stammt aus Brighton, dem Seebad an der englischen Küste, in dem auch Fatboy Slim, der Superstar des Big Beat, seine legendären Beach Partys veranstaltete.

Fragt man Ry X, mit wem er die Arbeitsweise von The Acid am ehesten vergleichen würde, gibt er eine überraschende Antwort: Eine Band, die ähnlich mit dem Computer umgehe, sei Ministry.

Klingt wie: Ry X, Chet Faker, Jamie Woon