1976-1980 Dazed And Confused


Mitte der Siebziger waren Led Zeppelin die Größten und konnten tun, was sie wollten. Doch die Dinge änderten sich, und die Schuld daran trugen der Erfolg, die Größe, die Dekadenz dieser Band. Und ein Zeitgeist, der mit "Rock-Dinosauriern" immer weniger Gnade kannte.

Solange Robert Plant den Sexgott mimte, Jimmy Page den Hobby-Mystiker gab, John Bonham die Rolle des schlichten, aber anständigen Arbeiters übernahm und sich John Paul Jones als schüchternes Instrumentalgenie präsentierte, waren Publikum und Presse auf ihrer Seite. Mit Peter Grant musste man eben leben. Hart, aber herzlich. Nicht grundsätzlich unsympathisch, aber zum Feind wollte ihn wohl niemand haben. Dass nicht alles, was Led Zeppelin berühren, zu Gold wird und genialische Züge trägt, wurde erstmals Ende 1976 greifbar, als der Konzertfilm The Song Remains The Same Premiere feierte. Die Live-Sequenzen aus dem Jahr 1973 waren gut, wenn auch nicht spektakulär, die eitlen Selbstdarstellungen – gerade Pages und Plants – in den eingestreuten Spielszenen sorgten allerdings für Belustigung, Missmut oder eine Mischung aus beidem. Der Wind hatte sich gedreht, der Punk klopfte an die Tür – mit gezückter Pistole. Spinnereien superreicher Rock-Wichtigtuer bestätigten da nur den Eindruck, der etablierte Rock-Zirkus habe jegliche Bodenhaftung verloren. Jimmy Page als Aleister Crowley junior, Robert Plant als edler Ritter, der holde Burgfräulein beglückt: potenzierter Schmonz. Der dazugehörige Soundtrack erreichte zwar in England Platz 1 und in den USA Rang 2 der Charts, doch die Kritiker meinten es nicht allzu gut mit dem Doppelalbum. Selbst die Band war mit dem Ergebnis unzufrieden. Dass das Werk dennoch erschien, ging auf Peter Grants Konto.

Dass Led Zeppelin noch immer in der Lage waren, Profundes zu kreieren, zeigte allerdings das Studioalbum Presence – extrem sparsam, streckenweise fast minimalistisch inszenierter Hardrock, dessen kühle Wucht selbst nach 30 Jahren noch halbwegs modern klingt. Was damals naturgemäß einige Fans der ersten Stunde gehörig irritierte: Die wollten weiterhin lebensprallen Bluesrock und melodische Balladen, sagten „früher waren sie besser“ und – kauften dennoch. Kommerziell betrachtet, waren Led Zeppelin noch immer unbesiegt, die kompromisslose Verehrung seitens der Fans wich allerdings zunehmend einer gewissen Ambivalenz. Wer mit der Band älter geworden war, verhielt sich meist auch weiterhin loyal, doch neue, junge Fans dazuzugewinnen, war für eine Rockband, deren Wurzeln ins Jahr 1968 zurückreichten, in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre kein leichtes Unterfangen.

Minuspunkte brachten 1977 die Vorkommnisse während einer Show im kalifornischen Oakland, die von der Presse genüsslich kolportiert wurden. Bonham, Grant und ein paar schwere Jungs aus dem Zep-Lager wurden angeklagt, den Security-Mann Jim Matzorkis ins Krankenhaus geprügelt zu haben. Das Imperium zeigte jetzt also sein wahres Gesicht. So stand es zumindest in den Zeitungen. Zu allem Überfluss starb wenige Tage später Plants fünfjähriger Sohn Karac. Erneut gab es Schlagzeilen: Led Zeppelin als Achse des Bösen, mit dem Teufel im Bunde, der nun Tribut fordert. Das war natürlich blanker Unsinn, aber die Tournee wurde abgebrochen. Led Zeppelin würden nie wieder in den USA auftreten. Erst einmal herrschte Funkstille. Plant versuchte, sein Leben nach dem tragischen Tod seines Kindes wieder in den Griff zu bekommen. Jimmy Page bastelte zu Hause an neuen Songs, John Paul Jones widmete sich seiner Familie, John Bonham geistigen Getränken. Vorlaute Journalisten wähnten die Band 1978 bereits am Ende, und im Zeppelin-Lager tat man wenig, dieses Missverständnis auszuräumen. Gerade für die britische Musikpresse, damals im Punk-Rausch, wäre es ja auch zu schön gewesen: Eine neue Zeit bricht an, die Dinosaurier sterben aus und machen den Weg frei für zeitgemäßere Lebensformen. Doch die Dinosaurier dachten überhaupt nicht daran, kleinlaut den Weg alles Irdischen zu gehen, und genau diese Renitenz nahm man übel.

Das Imperium schlug statt dessen zurück. Peter Grant versammelte die Band im Clearwell Castle, wo man einen Monat lang Songs schrieb, probte und vor allem – miteinander redete. Das hochmoderne Stockholmer „Polar Studio“, Eigentum von Abba, lieferte die Kulisse für das letzte Kapitel: das eigentümliche In Through The Out Door, ein Parforceritt durch allerlei Genres, der mit den tradierten Bluesrock-ScheEs gab Schlagzeilen: Zeppelin als Achse des Bösen, mit dem Teufel im Bunde mata endgültig brach. Das konnte man mutig oder orientierungslos nennen, je nach Standpunkt. Hätten Led Zeppelin weitere Alben produziert, wäre es wahrscheinlich als das „Übergangswerk“ in die Geschichte eingegangen.

Zumindest auf der Bühne war Led Zeppelins Abgang triumphal. Als Headliner des Knebworth Festivals präsentierte sich die Band 1979 in guter Form. Das waren keine „boring old farts“, die da ein Riesenpublikum rockten, sondern mit allen Wassern gewaschene Profis, die ihre Rolle als Entertainer überaus ernst nahmen. Die Presse zollte der Band dann auch Respekt. Von Knebworth nach Niederbayern: Ein Reisebus schaukelte sich am 26. September 1980 durch den Bayerischen Wald, um eine Münchner Schulklasse in ein Schullandheim im Zonenrandgebiet zu verfrachten. Der Busfahrer weigerte sich, mitgebrachte Kassetten in sein Radio zu schieben, dafür lief Bayern3. Nachrichten zu jeder vollen Stunde. Die letzte Meldung, kurz vor den Wetteraussichten: John Bonham ist tot.

„Der Schlagzeuger der britischen Rockgruppe Led Zeppelin.“ 32 Jahre alt. Totgesoffen. Die meisten Achtklässler interessierte das nicht. Einige horchten allerdings auf und hielten für ein paar Schweigesekunden inne. Immerhin hatte mir John Bonham kurz zuvor gezeigt, dass man mit ein wenig Übung auf einer Basstrommel Triolen spielen kann, für die andere Schlagzeuger zwei Bass trommeln brauchen.