5 Fragen an Devendra Banhart


über Hippies, Yogis, somalische Könige, Selbstbefreiung, den Austausch von Flüssigkeiten und die Weiblichkeit des Mannes.

1 Du wirst in der Öffentlichkeit als Hippie wahrgenommen. Fühlst du dich damit wohl?

Absolut nicht! Auf diese Art machen die Leute eine Karikatur aus mir. Aber so etwas passiert mir und meiner Band ständig. Wir gehen die Straße entlang, und plötzlich reißt irgendjemand das Fenster auf und brüllt: „Ah, Hippies! Peace and Love! Hahaha…“ Man lacht also über uns, dabei ist es zutiefst traurig, denn diese Menschen schreiben so etwas Fundamentales wie Frieden und Liebe einer bestimmten Zeit zu. Sie schreiben es einer Zeit zu, in der ihre Eltern vermeintlich jung und dumm waren. Und wenn es heute passiert, gilt es als nostalgischer Rückfall. Dabei sind die Leute nur ängstlich und übersättigt, sie sollten sich mehr um sich selbst kümmern. Willst du etwas Kautabak?

2 Du bist in Texas geboren, in Venezuela großgeworden und dann nach Kalifornien gegangen. Was war auf diesem Weg wichtig und prägend für deine Selbstfindung?

Ich bin unter Yogis aufgewachsen. Ich wurde von einem indischen Guru namens Prem Rawat, den man auch Maharaji nennt, getauft. Als Kind las ich die „Bhagavad Gita“ (zentrale hinduistische Schrift – Anm. d. Verf.), und meine liebste Geschichte war die von Ganesha. Ganesha war aus Lehm und sollte … egal. Jedenfalls wurde ihm der Kopf abgeschlagen… Ach, es ist eine zu lange Geschichte, aber sehr faszinierend. Ich hörte auch früh alle Arten von Musik. Das war sehr exotisch in Caracas, wo sonst nur Samba läuft. Es war das typische Heranwachsen eines Kindes der unteren Mittelschicht in einem Dritte-Welt-Land. Mein Hintergrund ist aber ziemlich öde im Vergleich zu dem meines Bassisten Luckey. Er wurde von einem somalischen König großgezogen, dem ein Supermarkt außerhalb von Nevada City gehörte. Dort traf er Joanna Newsom, mich und all die Leute, die heute Freunde sind, miteinander Musik machen und sich austauschen. Auch, äh, Flüssigkeiten austauschen.

3 Deine Musik ist sehr sinnlich. Gefällt dir die Vorstellung, dass Menschen Sex dazu haben?

O ja, das ist eine wunderschöne Vorstellung! Ich höre oft, dass Menschen zu meiner Musik Sex haben. Es sagen auch oft Leute, sie hätten zu diesem und jenem Song von mir ihrem Partner einen Antrag gemacht oder einen Fremden um seine Telefonnummer gebe ten. Vor allem ältere männliche Freunde von mir haben meine Musik benutzt, um bei jungen Burschen den Eindruck zu erwecken, sie seien hip. Es hilft also. Wir haben in Roskilde gespielt, und während unseres Auftritts hat sich ein Paar geliebt, das war schön. Viele glauben, „Seahorse“ vom neuen Album sei ein Sexsong. Aber er handelt von Reinkarnation. Am Anfang sagt eine Person: „Hi, I’m happy, I’m free, I don’t need anything. „Und dann geht die Reise los: Astro-Projektion, weißt du? Die wahre Natur bricht durch. Wodurch auch immer, sei’s durch Meditation, Tod, durch Iboga, die afrikanische Wurzel – und dann geht die Reise weiter in eine Art Mandala von Geburt und Tod, Geburt und Tod, Geburt und Tod… Letztlich ist es ein Dialog mit der Reinkarnation. Und am Ende sagt man sich: Ich will alles, nur nicht wieder in die alte Form zurückkehren. Ach, ich weiß auch nicht, es ist eine seltsame Geschichte… seltsam … sehr seltsam…

4 Dein neuer Song „Freely“ klingt wie ein Freiheitsmanifest. Glaubst du, daß jeder dazu in der Lage ist, sich selbst zu befreien?

(überlegt lange) Ja. Ja! Das glaube ich. Das glaube ich wirklich. Es ist aber seltsam: Eine so einfache Angelegenheit wie die eigene Befreiung braucht so eine tiefe Erfahrung, um den Schlüssel umzudrehen. Befreiung ist ja tatsächlich im wahrsten Sinne des Wortes wie das Öffnen einer Tür. „Erkenne dich selbst!“ – „Lebe frei!“ Das bedeutet doch im Grunde alles genau dasselbe. „Lebe in Frieden!“ – auch dasselbe. Das alles sind einzelne Aspekte eines fundamentalen menschlichen Bedürfnisses. Das wirklich Traurige aber ist, wie ich bereits sagte, dass die Presse und die Leute auf der Straße versuchen, eine Karikatur aus Menschen zu machen, die dieses Konzept leben. Sie lächerlich zu machen. Dabei ist es ein politisches Konzept, ein absolut subversives Konzept, dass sich jeder Mensch selbst befreien kann – wodurch auch immer. Es ist ein Konzept, das sich gegen Gewalt, gegen Krieg und gegen Sklaverei richtet.

5 Du gibst dich sexuell uneindeutig. In „Lover singst du die Zeile: „I wanna be your girl“. – Wie äußern sich bei dir Weiblichkeit und Männlichkeit?

Es gibt in Indien Sadhus (asketisch lebende Hindu-Mönche – Anm. d. Verf.), die ihren eigenen Dickdarm ausscheißen und im Fluss waschen können. Ich wiederum habe eine ähnliche Technik gelernt: Ich kann meinen Schwanz fast so weit in mich hineinziehen, dass er zu so etwas wie einem Bauchnabel wird. Wenn ich diese Technik anwende, ist das fast so, als hätte ich eine Vagina. Ich kann also vom physischen Standpunkt her sowieso schon mal einer Frau sehr ähnlich werden. Das Maskulinste an mir ist dieser Bart hier, er ist das einzige Männliche, über das ich verfüge. Ich habe keine weibliche Seite – ich bin weiblich, und ich habe diesen Bart. Wenn ich also singe: „I wanna be a girl“, ist das etwas, was die Mädchen hören sollen. Männer sollten ihrer Freundin sagen, dass sie ein Mädchen sein wollen. Ich will definitiv eins sein, (verführerisch blinzelnd) I wanna be your girl!

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