Die Lehren Der Stoiker


Auf der zweiten Platte von Get Weel Soon hebt Konstantin Gropper philosophische Gewichte und noch mehr Prunk.

Ein erstaunlich kleines Zimmer, an den Wänden uralte Singles von Status Quo, David Hasselhoff und anderen vergessenen Geistern, auf der Anrichte neben der Tür die DVD von David Lynchs „Mulholland Drive“. Dass die hier liegt, ist eher Zufall, genauso wie Konstantin Groppers mehrtägiger Aufenthalt in Hamburg eher Zufall ist: Weil Groppers Mischer Philipp Schwär (der schon das Get-Well-Soon-Debüt REST NO«‘, Vi’EARY HEAD! YOU WILL GET WELL SOON betreute) in Franz Plasas „Home Studios“ arbeitet, hat sich Gropper auf den Weg gemacht. „Den Großteil habe ich bei mir zu Hause aufgenommen, danach habe ich mir mal ein paar Studiotage in Heidelberg für Streichquartett, Blasquartett und Schlagzeug geleistet. Hier in Hamburg mische ich eigentlich nur noch.“

Es gibt ja unendlich viele Musiker,die ihre eigenen Songs schon zum Zeitpunkt der endgültigen Fertigstellung nicht mehr ertragen, doch Konstantin Gropper zählt nicht dazu: Während er die halbgeheime Get-Well-Soon-Musik, die am 8. Januar ganz offiziell erscheinen soll, in ohrenzerreißender Lautstärke vorspielt, versinkt er aufs Neue in den Kompositionen, die jetzt noch etwas größer, prunkvoller, feingoldener sind. Auf „Seneca’s Silence“ erklingen wieder Engelschöre, und wer zwischendurch auch mal Ennio Morricone oder Philip Glass hört, kann sich den Arcade-Fire-Vergleich schenken. Aber wie war das noch mal mit dem Songtitel? DER Seneca? „Der Stoiker Seneca war tatsächlich der Auslöser für die Idee zum Album“, sagt Gropper. „Ich habe ein Buch gefunden, das meinem Opa gehörte, darin gelesen und mich daraufhin an Seneca erinnert. Der war ja nicht nur ein großer Staatsmann, sondern auch Neros Lehrer und hatte dementsprechend viel Geld. Er war also auch ein Genussmensch. Und die Schule der Stoiker umschließt komischerweise auch die der Hedonisten, obwohl das komplett widersprüchlich erscheint. Es geht sozusagen um ein leidenschaftsloses Leben, in dem man nur dann frei ist, wenn man alles, was man liebt, zu jeder Zeit weggeben könnte.“

Auch zwei andere Stücke, die Gropper vorstellt, tragen die Abwesenheit von Kleinmut und Gewöhnlichkeit schon im Titel: “ A Voice In The Louvre“ und das erst klagende, dann feierliche „Aureate!“. Dazu gibt es mit „That Love“ ein Lied über die Liebe an sich und einen angenehm schrulligen Albumtitel: VEXATIONS (dt.: Unannehmlichkeiten). “ Einige Stücke drehen sich um die Frage: Wie gehe ich mit Dingen um, die mir auf die Nerven gehen? Und ich habe festgestellt, dass fast nichts es wirklich wert ist, sich darüber aufzuregen. Man kann sich da ja auch ein bisschen selbst disziplinieren.“