1989-2004 DVD – Warp Vision


Elektronische ‚Videokunst: Was da musikalisch Genres schafft, lässt sich visuell freilich nicht lumpen Warp: Label aus Sheffield – Ende der Soer gegründet – erste Adresse in Sachen elektronische Musik. Alles klar? Was demnach auch klar sein sollte: Wer ein E-Label mit zum Teil genrebildenden Musikanten an den Start bringt, wird an die visuelle Umsetzung dieser Musik wohl ebenso hohe Anforderungen stellen. Weil: a) Innovation kennt nur selbstgesteckte Grenzen, b) Angst vor Technologie kennen wir hier bei Warp nicht. So fanden also auch Regisseure zum Label, die heute zu den Videokunstgeschichtsschreibern gehören, warp vision erzählt somit nicht nur die Labelgeschichte in bewegten Bildern, sondern zeichnet gleichsam einen gewichtigen Teil des Werdegangs von Musikvideos im Kontext des elektronischen Pop (im weiteren Sinne) nach. Pioniere wie Sweet Exorcist, LFO und Nightmares On Wax, die noch direkt auf die Signale der damals durch Acid dominierten Clubkultur reagierten, bildeten in ihren Filmchen diese mehr oder weniger ab bzw. bezogen sich auf die gängige Bildsprache des Genres. In einem naheliegenden Kontext bewegte sich auch AphexTwinsAmbient-Track“On“ (1993): Ebbe/Flut-Zeitraffer, Stop-Motion-Allerlei, Dali-Optik etc. Sabres Of Paradis zog es hingegen schon weiter hinaus in die klischeebereinigte Videowelt: In „Wilmot“ (1994) marschiert ein Spielmannszug, der sich verdubt auch musikalisch im Stück wiederfindet, in Zeitlupe und Fisheye-Optik durch Britisch-Backsteinland. 1995 fraß sich schließlich im Aphex Twin die Idee fest, in Videos zigfach Figuren mit seinem fiesen Antlitz gruseln gehen zu lassen – anfangs noch als obszöne Teddybären mit aufgeklebter Fratze in „Donkey Rhubarb“ (1995). Danach trat mit den beiden hinlänglich analysierten und abgefeierten Meisterwerken „Come To Daddy“ (1997) und „Windowlicker“ (1999) Chris Cunningham auf den Plan. Mit ihm ging auch die Abstrahierung der Musik in Warp-Videos jetzt riesengroße Schritte; es entstanden weitere Kunstwerke im Spielfilm-Format wie Daniel Levis „Freak“ für LFO (2003; japanische Kinder werden auf dem Pausenhof zu Tanzfreaks) und Cunninghams „Come On My Selector“ für Squarepusher(i997; japanisches Freakkind sorgt in Klapse für Aufstand) – heute eher bei Arte als auf MTV zu Hause, warp vision zeigt jedoch auch Videos von Künstlern, die es sich in ihrer jeweiligen Nische auch visuell gemütlich gemacht haben. Zum Beispiel: Autechre (technische Coverzeichnungen leben!), Broadcast (6o’s-Technicolor-Splitscreen-Schweberei). lohn Callaghan (KleinVFilmkunstchaos). Seit Mitte der 90er ziehen die Warp-Videos zudem in der Entwicklung mit, dass „elektronische“ keine gesichtslosen Künstler mehr sein müssen: Jimi Tenor beherrscht auch als Regisseur/ Darsteller die Kunst der ironisch gebrochenen Selbstabbildung, Jamie Lideil ist überhaupt ganz viel Gesicht, und HipHop-Acts wie Anti-Pop Consortium und Beans leben ihren Drang ins Rampenlicht aus, ohne dass ein Frauenpo oder sonst ein Klischee ungefiltert dort hinein darf.