Alice Cooper


Was Eingeweihte schon lange prophezeit hatten, wurde mit Alice Coopers Europa-Tournee Ende vorigen Jahres zur Tatsache. Heute zählt die 5-köpfige Rockgruppe auch bei uns zu den beliebtesten Amerika-Importen. Die Geschichte von Alice Cooper haben wir bereits vor ein paar Monaten veröffentlicht, aber nur wer sie selbst gesehen hat, weiss, worum es bei dieser Gruppe wirklich geht. Ihre Tournee machte nicht ohne Grund Schlagzeilen in der internationalen Presse. Selbst die ältesten und erfahrensten Journalisten konnten sich nicht rühmen, etwas derartiges jemals zuvor gesehen zu haben. Einige Kritiker behaupteten, ihnen sei beim Anblick von Coopers Show „schlecht geworden“. Andere meinten, seine Stimme sei nicht besser, als die von Screaming Lord Sutch. Aber die Leute, denen bei Alice Cooper schlecht wurde, haben wahrscheinlich noch nie bei stürmischem Wetter in einem Flugzeug gesessen und diejenigen, die seine Stimme mit der von Lord Sutch vergleichen, sollten sich unbedingt Alice’s LP „Love It To Death“ anhören.

Dass die Show des amerikanischen Rock-Quintetts höchst ungewöhnlich war, lässt sich nicht leugnen. Ob man das jedoch negativ bewerten sollte, darüber Hesse sich streiten. Das Märchen vom Huhn dass Alice irgendwann einmal auf der Bühne geschlachtet haben soll, dürfte allgemein bekannt sein. In Europa sah er jedoch davon ab, eine Wiederholung dieses einmaligen Schauspiels zu präsentieren. Dennoch enthielt seine Show vieles, was zum Staunen Anlass gab. In der Kombination seiner beiden Stücke „Second Coming“ und „Bailad Of Dwight Fry“ erschien er in einer Zwangsjacke und Hess sich von einer Krankenschwester aufs Podium führen. Das Mädchen in der Schwesternkleidung hatte er sich aus dem Publikum geholt. Aber an kleinen Kindern schien es unter den Anwesenden offensichtlich zu fehlen, denn die Kinderstimme, die da sprach: „Mammie, where is daddy, he’s been gone for so long —–“ konnte man nur von einem Tonband vernehmen. Der sensationellen Atmosphäre dieses Konzertes tat das jedoch keinen Abbruch. Der intensive, schmutzige Sound der Cooper-Musik und die akrobatischen Leistungen Mr. (oder Mrs.?) Coopers selbst sorgten von der ersten bis zur letzten Minute für Spannung und Abwechslung. Die etwas merkwürdige Reaktion des Publikums hatte Alice im zuvor einkalkuliert und sowieso beabsichtigt. Die Leute in den vorderen Reihen zuckten furchtsam zurück, wenn Cooper an den äussersten Rand der Bühne trat und sie mit grimmigem Gesicht anstarrte. Ein Mädchen, das genau unter ihm stand, lief erschreckt fort, nachdem Alice ihm den Hut vom Kopf geschleudert hatte. Ein junger Fotograf ergriff die Flucht, als Alice mit einer lebenden Boa in der Hand auf ihn zukam. Als er sich in einen ‚altmodischen elektrischen Stuhl setzte, sind anschnallen liess und überall bunte Lämpchen aufleuchteten, wandten einige Leute betreten den Kopf ab. Als er eine Uhr aus der Tasche zog und „die letzten Minuten seines Lebens zählte“, wussten die meisten schon nicht mehr, was sie davon halten sollten. Lustig wurde es wieder, als Cooper ein Kissen aufschlitzte und die Federn mittels eines Feuerlöschers durch den Saal treiben liess. Das ehrwürdige alte Konzertgebäude war innerhalb von Sekunden so weiss, als hätte es durchs Dach geschneit. Zum Schluss bombardierte er das Publikum mit zusammengerollten Posters und (echten!) Geldscheinen. Das Ganze war für sämtliche Anwesenden ein Erlebnis, das sie nicht so schnell wieder vergessen werden. Besonders den Leuten, die nach der Veranstaltung den Saal säubern mussten, wird der Name Alice Cooper noch lange im Gedächtnis haften bleiben, denn wie wir später hörten, dauerte es Stunden, die Stätte von all den weissen Federchen zu befreien ..