Au Pairs


Übersensibel, mißtrauisch und moralisch engagiert treten die Au Pairs an: gegen Chauvinismus, Korruption und und und… Besonders Sängerin Lesley, neuerdings mit luftiger Sommerfrisur, macht mobil gegen überhebliches Macho-Denken.

Man kann sich schnell anfreunden mit den Au Pairs, jedenfalls mit dreien von ihnen – Paul, Pete und Jane. In meinem Fall geschah das binnen einer durchdiskutierten Nacht in Aachen – einer‘ Nacht, die schließlich gegen fünf Uhr früh mit drei rettungslos aneinander vorbeiquasselnden Hitzköpfen – Manager Martin im Arafat-T-Shirt, Sängerin Lesley, mir, einem halben Dutzend Bierflaschen (Martin), Dornkaat, Kom, Underberg (Lesley) und drei Litern Granini (hier!) – reichlich konfus endete.

Lesley, neuerdings mit Skinhead und wie eh und je in PLO-Nahkampf-Montur, singt, schreibt und ist damit natürlich Wortführerin (und wie: pro Frage ungefähr 15 Minuten Nonstop!). Zu Anfang hatten wir wirklich einige Mühe, uns zusammenzuraufen, weil, nun “ – Journalisten nehmen sich doch viel zu emst, Männer im Allgemeinen ohnehin. Und Musikjournalisten sind halt meistens männlich …“ Soll heißen: Mobilmache gegen die ganze Macho-Männer-Überheblichkeit, wobei für Lesley Kompromisse nicht in Frage kommen. „Mir ist scheißegal, ob man uns für ein paar feministische Weltverbesserer hält“, spuckt sie grimmig aus, „Kritiker, denen so was einfällt, verraten mit solchen Etiketten doch bloß ihre eigene Ignoranz.“ Anschließend versteigt sie sich in die These, daß ein Fanatiker wie Gary Bushell (Redakteur der englischen „Sounds“, um den sich die neue Punk/Skinhead/ Fußball/Sauf-Generation zusammenrottet) einfach nur männlich sein kann. Der Einwand, daß es eine Frau ist, Carol Clerk, die im „Melody Maker“ von genau der selben Anarchy-Endlösung träumt, ist nicht geeignet, sie auch nur ein Iota von ihrem Kurs abzubringen.

Überhaupt Kurs… Als sich die Au Pairs vor knapp vier Jahren zusammentaten, stemmten sie sich gegen das ganze scheinheilige und korrumpierbare Pop-Establishment. Sie taten es verbittert, meinetwegen auch verzweifelt aber sie hatten zumindest Spaß dabei.

Dagegen klingt ihr neues Album SENSE AND SENSUALTTY wie ein böser Traum. Wenn es um Sex geht – und darum geht es hauptsächlich – dann hört sich Lesley an, als hätte sie gerade erst gestern festgestellt, daß die ganze Welt bloß aus rücksichtslosen, ausbeuterischen Sexisten besteht. SENSE AND SENSUALITY ist die alte, kurzsichtige feministische Leier vom vorgetäuschten Orgasmus und chauvinistischer Doppelmoral, vom frauenfeindlichen Dies, vom frauenverachtenden Das… Sind die Au Paris eigentlich mal auf die Idee gekommen, Sex nicht nur als Kampf der Geschlechter, sondern als ganz profane Stimulanz anzusehen?

„Das schon“, meint Paul ein wenig unsicher, „aber du tust ja gerade so, als ob unser Anliegen völlig absurd sei. So Sachen passieren schließlich auch.“ Ja eben, auch… Lesley: „Du magst SENSE AND SENSUALITY nicht… ?“ Nein. Zumindest nicht diese starre, spießig-verbiesterte Selbstgefälligkeit… Seid ihr völlig damit zufrieden?

Lesley und Paul tauschen einen nachdenklichen Blick, bevor Lesley erklärt, daß sie zumindest während der Aufnahme-Sessions, vor ein paar Monaten also, mit den Songs einverstanden war; Paul redet etwas ausweichend vom „2-ten Album-Syndrom“.

Paul ist überhaupt der geborene Zweifler (und ein hervorragender Gitarrist!), selbstquälerisch, hochgradig sensibel, mit einem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und natürlich auch „… Pazifist! Das einzige Mal, daß ich wirklich physisch gewalttätiggeworden bin, war vor zwei Jahren zuhausein Birmingham gegen Dexy’s Kevin Rowland Der ist damals, grundlos und völlig betrunken, auf Lesley losgegangen. Da hatte ich dann einfach keine andere Wahl.“ Und Paul ist irrsinnig begeisterungsfähig – er hegt eine abgöttische liebe für Musik, die wahr ist und unwiderlegbar, moralisch und militant, Musik aus dem tiefsten Inneren, Musik mit Soul…

„Kennst du ‚The Message‘ von Grandmaster Flash? Wowww! Kann man überhaupt noch eine bessere Platte machen?“ Und The Beat and Black Uhuru und Clint Eastwood und und…

Selbstverständlich sind die Au Pairs (fast) immer auf unserer Seite – sind für Märtyrer und aufgeklärte Marxisten, für Mugabe und Marley, für Hungerstreikende und Humanisten, sind bei allen Anti-Thatcher-Rallyes und Riots dabei, bei ‚Rock Against Racism‘ und überhaupt gegen jeden anderen (rechten) ‚Ismus’…

Lesley läuft auch noch Stunden, nachdem mein Recorder seinen Geist aufgegeben hat, im Zickzack-Kurs über den Globus: Von Bobby Sands über Lenin nach El Salvador, von der IRA, die sie leidenschaftlich unterstützt (hier scheiden sich die Geister: Paul teilt deren Motive, aber lehnt die Mittel ab) bis zu den Falklands, vom Sowjet-Imperialismus („so was gibt’s nicht“ -Martin) bis zu – wer war noch nicht dran? – natürlich „…then if Godmade Thatcher/who created Reagan?/was it written in the stars…?“ Ha, und hier sind wir wieder bei SENSE AND SENSUALITY, im Zentrum von Lesleys Mission, die einerseits wohl berechtigt ist und letztendlich doch so planlos, so verquast, so, so … fatal sinnlos. Wieder eine vergeudete Chance, wieder viel Katzenjammer und wenig Kritik, wieder…

„Ich kann nicht alles beglaubigen und rechtfertigen, was ich damals(!) empfunden habe, ich kann es einfach nicht, „sagt Lesley.

Pete: „Schau mal, es ist doch einfach, Gefühle auseinanderzunehmen. Ich würde nie behaupten, daß wir perfekt sind oder allwissend. Wir lernen dazu, und zwar jeden Tag. Keiner von uns hat studiert (Witzig, daß ausgerechnet die geistlosen Ewig-Zuspätkommer von Duran Duran die Au Pairs als Student-Band‘ abkanzeln), und wer uns abschätzig als ‚Middle-Class Lefties’bezeichnet… Mein Gott, wichtig ist doch nur, daß wir zu unseren Idealen stehen …“ Die Au Pairs… Wütender, aufgekratzter Pop, mit Pauls schriller, schneidender Gitarre, Lesleys gepreßtem Booze-Blues-Gesang und Songs, die entweder sofort ins Gedächtnis undins Gewissen gehen – also die von PLAYING WITH A DIFFERENT SEX, ihrem guten, aber nie perfekten Debüt – oder eben den glanzlosen Neo-Gang Of Four-Funk-Abstraktionen von SENSE…

Die Au Pairs… Garantiert eine der ehrlichsten, besorgtesten und moralischsten Bands der Welt. Und immer noch mit Skrupel gegenüber ihrer ‚Star‘-Rolle. Paul meinte vor unserem Interview, daß ihn ja schon diese Situation auf eine andere Ebene hebt. Lesley hat in 12 Stunden kein einziges Mal gelacht…