Konzertkritik

Augen zu, wenn der Destroyer spielt!


Dan Bejar feiert am 15. November mit seiner siebenköpfigen Band live im Berliner Lido die Musik im Status der Wallung. Auch wenn es auf den ersten Blick überhaupt nicht danach aussieht.

Liegt es daran, dass die Anschläge in Paris, bei dem vor allem viele Besucher eines Rockkonzerts getötet und verletzt wurden, gerade einmal zwei Tage her sind und die Menschen nun vielleicht irgendein halbgares Statement von ihm erwarten, oder ist Dan Bejar immer so komisch? Macht sich klein mit seiner Bierflasche hinter den Monitorboxen, wenn ein längerer Instrumentalpart ansteht. Spricht nicht zwischen den Songs. Der Mann, der sich Destroyer nennt, scheint so gar nicht daran interessiert zu sein, eine Verbindung zu seinem Publikum aufzubauen.

Dan Bejar sinkt aufs Knie und genehmigt sich ein Ohr.
Dan Bejar sinkt aufs Knie und genehmigt sich ein Ohr.

Aber Dan ist einfach so. Scheu, an der Frontmann-Rolle über die des zu einiger Wallung fähigen Crooners und die eines seine Strophen wie ein Geheimnis einkreisenden Mystikers hinaus nicht interessiert. Auch der Glamour, der von seiner inzwischen fast musicalartig ausgekleideten, sich elegisch zwischen Street und Soft und Art Rock ausdehnenden Musik ausgeht, will und soll sich nicht auf ihn als Person übertragen. Typ gedankenverlorener Kunstlehrer mit herausgewachsener Naturkrause, kariertes Hemd, Krempelärmel, diese dauergebückte Haltung, die eventuell anwesende Chiropraktiker kaum mit anschauen können – das bleibt abends im Club an der Ecke in Kreuzberg übrig von dem Indie-Sinatra, als uns der Kanadier auf seinem jüngsten Album POISON SEASON noch erschienen war.

Highlights weit weg von dem, was andere als schnöde Refrains ins Ziel führen.

Aber vielleicht sollten wir es Dan Bejar mal nachtun, der gerne die Augen schließt beim Singen. Und uns wegblasen lassen von dieser Band. Buchstäblich, denn Saxophon und die obendrein noch durch zahlreiche Effekte fast surreale Töne freisetzende Trompete gehören hier die Hauptrollen. Sie sorgen für die melancholischen und melodramatischen, zuweilen exzentrischen, ins Freijazzende lappenden Highlights, zu denen sich die Band immer wieder aufschwingt an Stellen, die oft weit entfernt liegen von dem, was andere an der immer gleichen Stelle als schnöde Refrains ins vorhersehbare Ziel führen.

Mancher Song scheint – der Eindruck verfestigt sich im Konzert, wo die ungeheure Dynamik von Destroyer einen stellenweise fast wie Donner rührt – sogar nur darauf hin ausgerichtet und komponiert worden zu sein. Als wollte Bejar einen nur immer wieder auf dieses große Wunder hinweisen, wenn das Grand Piano die Oktaven nach oben springt, die Bläser sich hochschaukeln, die Echo-Gitarren taumeln, die Becken schellen: Schaut, zu was Musik in der Lage ist, was sie mit uns macht! Und wenn das jeder hören kann, warum sollte Dan Bejar über das akustische Ereignis hinaus irgendwie auffällig werden? Ist halt einfach auch nicht sein Ding.

Kai Müller