Bon Jovi


Als melodische Hardrock-Band 1984 in die Konkurrenz geschickt, haben Bon Jovi einen seltenen Drahtseilakt geschafft: das Crossover in den Pop-Markt, ohne dabei die Fans der ersten Stunde zu verlieren. Sie faszinieren Hardrock-Puristen, Teenies und Pop-Fans und erlauben sich darüber hinaus noch, Rhythm & Blues, Blues und Country zu frönen, dabei zielsicher die ganz tumben Klischees herumzumanövrieren und all das eigentlich schon hundertmal Gehörte so zu verkaufen, daß es wie gerade erfunden und neu entdeckt klingt. Selten hat es eine Band geschafft. Standards so selbstverständlich zu bringen, daß sie jederzeit spontan wirken.

Das ist souverän, und vor Souveränität strotzt diese Band. Allein wie sie den Einstieg in ihre Show zelebrieren: Die schlichte, von keinem Verstärker, keiner PA verstellte, großflächige Bühne, ist dezent in Schwarzlicht getaucht. Nebel zieht auf, der durch Lichtbündel zerschnitten wird und die Sicht freigibt auf den einzigen optischen Blickfang: ein monströses Schlagzeug, an dem Drummer Tico Torres unvermittelt den computerisierten Einpeitsch-Rhythmus von „Lay Your Hands On Me“ übernimmt. Als der Rest der Band die Bühne stürmt, ist das Publikum längst erobert. Der a-cappella-Einstieg in einen ihrer Mega-Hits, „You Give Love A Bad Name“, zu einem so frühen Zeitpunkt läßt die Wogen der Begeisterung überschwappen. Daß Frontmann Jon Bongiovi und seine Mannen die Stimmung über die komplette Konzertdistanz auf dem Siedepunkt halten können, gar noch zu Steigerungen fähig sind, unterstreicht die Qualität und das gesunde Selbstbewußtsein dieser Band.

Von einem atmosphärischen Licht unterstützt, putschen sich die Musiker immer wieder selbst auf und wirbeln traumwandlerisch sicher durch ihr farbiges Repertoire. Im bluesigen „Homebound Train“ kitzeln sich Jon an der Mundharmonika und Gitarrist Richie Sambora in einem spannenden Dialog gegenseitig hoch. In „I’ll Be There For You“ schwebt Mädchenschwarm Jon an einem Trapez über sein Publikum, um dann in der Hallenmitte die gefühlsschwangere Bailade schmelzen zu lassen. In „Blood On Blood“ wird es dann springsteenesk – und „Living On A Prayer“ markiert den vorläufigen Höhepunkt des musikalisch so vielfarbigen Bon Jovi-Gigs.

Vorläufig, weil die Zugaben-Blöcke weitere Überraschungen parat halten. Etwa ihre vielleicht schönste Komposition, das dynamische „Dead Or Alive“, und das gemeinsam mit Lita Ford und Band zelebrierte Bekenntnis „We’re An American Band“.

Keine weitere Steigerung mehr möglich? Denkste. Jetzt geht’s erst recht zur Sache. Wie wäre es mit einer spontanen Rock’n’Roll-Session mit Überraschungs-Gästen? Kein Problem. Mit Jean Beauvoir und Rudolf Schenker beschließt ein wilder Jam ein überzeugendes Rockkonzert, das bei einem großen Gewinner (Bon Jovi natürlich) auch zwei Supports nicht vergessen lassen soll. Dabei gefielen die wiederauferstandenen Craaft bei ihrem Heimspiel ohne Nervenflattern in nur fünf Songs mehr als Lita Ford, die immer noch nicht so genau weiß, ob sie nun Schulmädchen. Leder-Vamp oder Samantha Fox-Verschnitt sein will.

Sei’s drum, dies Manko wog die dynamische Show der Mannen aus New Jersey allemal auf. Wer den Hardrock bereits in der Sackgasse plakativer Wiederholungen wähnte, konnte sich an dieser unbekümmert durch diverse Stile streunenden Band ein Beispiel nehmen. Hier wird nicht geblufft, nicht heiße Luft produziert, sondern eine solide Brücke zwischen professionellem Entertainment und Enthusiasmus geschlagen und der Konkurrenz gezeigt, wo’s fortan noch viel zu lernen gibt.