David Byrne


Manchmal setzt man sich auch zwischen die Stühle, wenn man zuviel Erfolg hat. Der rauschende Beifall für „True Stories“, Byrnes ersten Kinofilm, hält seinen Macher so auf Trab, daß die Talking Heads vorerst verstummt sind. Wie er nun auch wieder die Gruppe mit seinem Genius beglücken will, erzählt der Erfolggeplagte Ingeborg Schober ME/SOUNDS: Wie fühlt man sich, wenn man plötzlich ganz alleine im Rampenlicht steht? Fehlen dir in solchen Momenten die Talkine Heads?

BYRNE: „Ich habe inzwischen schon leidlich Übung; der Film lief ja bereits auf etlichen Festivals.“

ME/SOUNDS: Stört es dich, als ein Aushängeschild herumgereicht zu werden, mit dem man dann den Film verkauft?

BYRNE: „Nicht so sehr, nein. Was mir schon ein bißchen spanisch vorkommt, ist zum Beispiel das Filmplakat mit meinem Konterfei; ich hätte da lieber den Hauptdarsteller John Goodman gesehen. Aber der verkauft eben nicht so gut, wurde mir gesagt.

Wobei ich betonen möchte, daß der Film gar nicht so viel mit mir zu tun hat; die gezeigten Charaktere stehen im Mittelpunkt. Ich als Erzähler stelle nur diese Charaktere vor, öffne für den Zuschauer die Türen. Und so wichtig ist das auch nicht, daß man deswegen gleich so viel Aufmerksamkeit bekommt.“

ME/SOUNDS: Du hast die Rolle also nur übernommen, weil es dadurch leichter war, das Budget zusammenzubekommen?

BYRNE: „Nicht nur. obwohl das leider auch ein wichtiger Grund war. Es scheint so, zumindest in Amerika, daß die Financiers einem Künstler nicht mehr sonderlich viel Vertrauen schenken, wenn er ein Newcomer ist und keine Erfolge vorweisen kann — selbst wenn er eine noch so gute Idee hat.

Aber es gab auch andere Gründe. Wir haben lange darüber nachgedacht, wer diese Rolle übernehmen könnte. Ich hatte zum Beispiel ursprünglich an Radiosprecher gedacht: diese Leute haben respekteinflößende Stimmen und eine sehr eigene Art, Dinge auszudrücken. Aber leider ist es meist so, daß sie nicht so aussehen, wie ihre Stimmen klingen. Also blieb der Job an mir hängen. Es hat Spaß gemacht und war erstaunlich einfach. Eine schauspielerische Glanzleistung ist es ja nicht gerade.“

ME/SOUNDS: Und wie sieht es jetzt mit weiteren Ambitionen vor der Kamera aus?

BYRNE: „Ich habe für ein kleines Projekt namens .Survival Guides‘ ein bißchen vor der Kamera gestanden, aber ansonsten kommen bislang nur Angebote, in denen ich ziemlich behämmerte Rockstars darstellen soll — so wie gewisse Leute sich eben Musiker vorstellen.“

ME/SOUNDS: Gerade in den Erstlingsfilmen verarbeiten viele Regisseure ihre eigenen Erfahrungen. Bist du dafiir ein typisches Beispiel?

BYRNE: „Ich glaube halt einfach nicht, daß meine Person wirklich so interessant ist. Was soll ich die Zuschauer mit meinem Leben und meinen Erfahrungen langweilen? Die meisten Leute, die ich treffe, sind wirklich viel interessanter. O.k., ein paar Zugeständnisse an Dinge, wie ich sie sehe, findet man im Film schon, etwa die Einführung über die Geschichte von Texas. Das ist, würde ich mal sagen, typisch Bvrne.“

ME/SOUNDS: Und daß sich der Erzähler äußerlich immer mehr seinen Figuren im Film angleicht, also von der Kleidung her, ist das auch typisch Byrne?

BYRNE: „Ja. ein bißchen schon. Ich passe mich äußerlich gern an. Nicht aus Feigheit, sondern weil ich herausgefunden habe, daß man dadurch völlig unbeachtet Beobachtungen anstellen kann und viel näher an die Leute herankommt, als wenn man ständig seine Rolle als Rockstar oder Filmemacher oder Maler oder sonst was im Aussehen betont. Und dann sollte dieser Erzähler in .True Stories‘ auch ein Sympathisant der Leute werden, die er besucht. Er paßt sich an, weil er die Leute mag.“

ME/SOUNDS: Mode, Kleidung, Stil, Identität — das scheint dich offensichtlich zu interessieren. Und einiges davon ist ja offensichtlich in den Film eingeflossen. Wie kam es eigentlich zu der Geschichte mit den identischen Zwillingen?

BYRNE: „Ja, das ist etwas, was mich wirklieh fasziniert. Als ich begann. Zeitungsgeschichten als Ideen für ,True Stories‘ zu sammeln, bin ich immer wieder auf Meldungen über Zwillinge gestoßen. Bei den Vorbereitungen zum Film habe ich in Dallas diverse Zwillingspärchen kennengelernt, die dort regelmäßige Treffen veranstalten. Aber in Texas scheint es nicht nur eine Spezialität der Zwillinge zu sein, sich gleich anzuziehen: Viele Ehepaare, Geschwister oder Freunde pflegen dort mit Begeisterung den Partnerlook.“

ME SOUNDS: Könntest du dir vorstellen, einen Zwillingsbruder zu haben?

BYRNE: „Nein, überhaupt nicht. Obwohl die Idee eines Doubles ja durchaus reizvoll ist. Etwas Ähnliches machen ja auch Bands, wenn sie sich auf der Bühne identisch anziehen?

ME/SOUNDS. Und was ist wohl die Idee hinter diesem Doppelgänger-Phänomen?

BYRNE: „Mhm, vielleicht ist es einfach der Wunsch, einen wirklichen Freund zu haben. Oder einen Freund zu gewinnen. Aber letztlich ist dieses Phänomen auch für mich reichlich mysteriös. Auf einer Bühne hat es natürlich eine andere Funktion, das ist Show und Optik.“

ME/SOUNDS: Apropos Optik — was hat bei dir überhaupt den Wunsch ausgelöst, einen Film zu machen? Die Musikvideos?

BYRNE: „Nicht so sehr, obwohl das anfangs eine große Chance war. überhaupt etwas visuell auszudrücken. Anfangs haben das Leute im Auftrag für uns erledigt — was natürlich auch Geld kostet. Ich habe gut aufgepaßt und gelernt, es selbst zu machen.

Es war eine Chance, auf jeden Fall, auch wenn inzwischen eine Menge Schrott produziert wird. Deshalb habe ich auch versucht, in True Stories‘ ein paar Videos einzubauen, die zeigen, was man mit diesem Medium alles machen kann. Aber wirklich neugierig auf Film bin ich durch .Stop Making Sense‘ und meine Bekanntschaft mit Regisseur Jonathan Demme geworden. Von ihm habe ich viel gelernt.“

ME SOUNDS: Wie man hört, habt ihr bereits wieder zusammengearbeitet.

BYRNE: „Ja. ich habe zu seinem neuen Spielfilm .Something Wild‘ einen Song geschrieben; Jerry Harrison ebenfalls.“

ME SOUNQS: Was ist denn nun mit den Talking Heads. Kommt ihr auf Tournee?

BYRNE: „Nein, wir haben uns nicht darauf einigen können, was wir auf der Bühne machen könnten: folglich wird es vorerst keine Tour geben. Es wäre auch reizvoll gewesen, mit all diesen Musikern aus Texas auf Tour zu gehen, die im Film vorkommen. Das würde wirklich eine bunte, lustige Show werden. Aber da gibt es Terminschwierigkeiten — und wer soll das alles bezahlen?“ ; ME SOUNDS: Es hieji, daß seit STOP MA-KING SENSE nicht genug neues Material zusammengekommen sei. i

BYRNE: „Nein, das Problem ist ein anderes: Weil der Film .Stop Making Sense‘ so erfolgreich war. wird jede Live-Show danach anders aussehen müssen. Das ist einerseits positiv und eine Herausforderung, andererseits aber für die Band eine komplizierte Situation.“

MF., SOUNDS: Die letzten Alben der Talking Heads verrieten ein starkes Interesse an traditioneller und ethnischer Musik. Warum prallen die Musikstile neuerdings so hart aufeinander?

B RNE:“.Die Songs von .True Stories‘ wurden ursprünglich alle für den Film geschrieben und deshalb in den Musikstilcn komponiert, wie du sie in Texas finden kannst; im Film werden sie von einem Schauspieler gesungen. Zuerst haben wir sogar mit dem Gedanken gespielt, das Album mit diesen Versionen als neue Talking Heads-LP herauszubringen. Das hätte mir nach dem Erfolc von L1TTLF. CREATURES durchaus gefallen, aber kommerziell gesehen wäre das nicht gerade eine populäre Entscheidung gewesen. Ich habe die Songs so geschrieben, wie es vielleicht meine Film-Charaktere getan hätten: Wenn ein Mann Country-Musik liebt, dann habe ich für ihn ein Country-Lied komponiert, desgleichen Tex-Mex usw. Musik aus dem Volk also, die dadurch auch eher traditionell klingt.

Zum anderen ist ja die ganze heutige Popmusik mehr oder minder aus traditioneller und ethnischer Musik entstanden; da liegt es nahe, daß man als Musiker innerhalb einer Entwicklung wieder auf diese Wurzeln zurückkommt.“ ME SOUNDS: Sun ist das Album aber etliche Zeit vor dem Filmstar! in die Läden gekommen. Kann denn ein Fan, ohne den Film zu kennen, die Konzeption hinter der Platte begreifen?

BRNE:“.Ich denke schon. Einfach als Songs, in denen Geschichten erzählt werden. Aber ich gebe zu, es ist ein bißchen verwirrend. Leider konnten wir nicht in allen Ländern gleichzeitig den Film und das Album starten.“

ME/SOUNDS: Warum sind auf TRUE STO-RIES die Songtexte nicht abgedruckt? Das könnte zum Verständnis doch durchaus beitragen.

BYRNE:“.Ich habe gedruckte Songtexte noch nie gemocht. Für mich trennt das den Klang vom Inhalt der Worte. Für mich funktionieren die Texte nur. wenn man sie hört. Auf Papier gebracht, klingen sie bisweilen reichlich albern oder aber zu wichtigtuerisch.“

ME/SOUNDS: Klingt nach mangelndem Selbstbewußtsein.

BYRNE:“.Stimmt, hab ich nicht.“

ME SOUNDS: „True Stories“ ist kein Musikfilm, aber ein Film mit Musik. Welche Funktion hat sie?

BYRNE: „Die Musik sollte den Charakteren eine Chance geben, sich stärker zu vermitteln. Denn die meiste Zeit im Film unterhalten sich die Personen: durch die Musik können sie ein bißchen lebendicer werden.“

ME SOUNDS: Was haben denn deine Kollegen von den Talking Heads von diesem Projekt gehalten?

BYRNE:“.Ich glaube schon, daß es ihnen gelallen hat. aber sie werden die Erfahrung wohl nicht nochmals machen wollen. Ich übrigens auch nicht. Es ist einfach eine zu große Belastung, weil an die Band Erwartungen gestellt werden, die sie nicht erfüllen kann, da ich mich aufgrund der Filmarbeiten nicht um die Talking Heads kümmern konnte: dadurch entstand auch die Konfusion mit den Platten. Im Moment konzentrieren wir uns wieder darauf, eigenständiges Material zu entwikkeln. Daneben aber lese ich Drehbücher und arbeite an einer neuen Filmidee.“

ME SOUNDS: Stimmt es, daß du ein Projekt mit dem avantgardistischen Theatermann Robert Wilson planst?

BYRNE:“.Stimmt. Vor einem Jahr haben wir bereits die Performance ,The Knee Plays‘ zusammen gemacht — ein kleines Stück, nichts Spektakuläre. Es wurde in Amerika an kleineren Theatern aufgeführt. Nun haben wir ein Angebot, nächstes Jahr etwas in Berlin zu machen, wobei wir dasselbe Material für eine Theater- und eine Filmfassung benutzen wollen, aber mit völlig verschiedenen Interpretationen. Noch haben wir nicht genügend Geld zusammen, denn beide Projekte müssen gleichzeitig entstehen.“

ME SOUNDS: Klingt ebenso interessant wie kompliziert.

BYRNE:“.Was hast du denn sonst von mir erwartet?“

ME SOUNDS: Inzwischen hast du ja einen Vergleich zwischen Theater- und Filmarbeit. Wo Hegt der Unterschied?

BYRNE: „Bei einer Rock-Bühnenshow wie .Stop Making Sense‘ kann das Publikum alles sehen, was auf der Bühne vor sich geht — und zwar gleichzeitig. Dem Publikum bleibt es überlassen, auf was es sich gerade konzentrieren möchte. Im Film funktioniert diese Art von Wahrnehmung nicht. Wenn du eine Bühnenshow abfilmst, egal ob Musik oder Theater, mußt du die einzelnen Personen und Dinge mit der Kamera näher heranholen. Damit verlierst du aber gleichzeitig den Gesamtraum aus den Augen. Im Film reihst du verschiedene Zeiten und Orte aneinander. Deshalb habe ich versucht, in meinem Film diesen Mechanismus nicht so zu verstecken, wie man das gemeinhin gerne macht. Ich spreche oft direkt in die Kamera oder weise auf etwas hin. was im Moment noch nicht sichtbar ist.“

ME SOUNDS: Aber nimmst du damit nicht auch das Geheimnisvolle, Mysteriöse aus dem Film?

BRNE: „Das muß. wie auch in der Musik, durch andere Dinge entstehen. Was das ist. kann ich auch nicht genau erklären.“

ME SOUNDS: Und der Unterschied von Filmund Musikarbeit?

BYRNE:“.Da ist eigentlich keiner. Erst einmal muß ich eine Menge Dinge sammeln und sie dann organisieren. Neu war es für mich allerdings, mit Schauspielern zu arbeiten: das kannte ich auch nicht von meiner Video-Arbeit her.“

ME SOUNDS: Was isifiir dich die perfekte Illusion? ¿§ BYRNE: „Mode. Wir haben innerhalb der Tal- king Heads ein schönes Spielchen: Ausdrücke der -§ Modewerbung nehmen wir als Vorlage zu neuen % Ideen. Wenn du ein Modemagazin durchblätterst. £

dann druckt die Sprache darin nie das aus, was du siehst, sondern vermittelt einen Lebensstil, ein romantisches Phantasieleben. Das ist eine ganz eigene Art von Poesie.“

ME’SOUNDS. Deshalb auch die absurde Modenschau in „True Stories“?

BYRNE: Ja. Diese Gras-Anzüge zum Beispiel, die gibt es wirklich. Die stammen von einem Mann aus Chicago, der mit echtem Gras alles mögliche überzieht. Möbel, Autos, er ist ein Gras-Künstler.“

ME/SOUNDS: Hast du so einen Anzug mal getragen?

BYRNE:“.Natürlich. Das ist schon ein seltsames Gefühl, ein bißchen feucht auf der Haut, denn er muß die Grassamen ja bewässern; es riecht auch unheimlich intensiv nach Gras. Und nach etwa zwei Wochen kommen innen durchs Futter die Wurzeln durch.“

ME SOUNDS: Und diese gestylte Essens-Szenerie im Film, die auch etwas sehr Religiöses an sich hat — was ist damit?

BYRNE: „Essen wird zur Mode und Mode wird zum Essen. Das sind Rituale der modernen Gesellschaft. Es ist einem Abendmahl, einer religiösen Handlung vergleichbar. Die ganz banalen Dinge sind in meinem Film immer mit spirituellen Obertönen verknüpft.“

ME/SOUNDS: Interessierst du dichfiir religiöse Dinge?

BYRNE: „Nicht im üblichen Sinne des Glaubens an einen Gott. Aber wir zelebrieren in unserer jetzigen Kultur alle nur denkbaren Kulthandlungen, das geht, wie schon erwähnt, vom Modestyling bis zum Essensritual. Sehr dekadent und zugleich sehr komisch, wenn man es näher beleuchtet.“

ME/SOUNDS: War das auch der Gedanke hinter der LP MY LIFE IN THE BUSH OF GHOSTS mit Brian Eno?

BYRNE: „Religiöse Shows, ob nun bei Eingeborenen, in Kirchen oder im Radio und Fernsehen, besitzen eine unheimliche Kraft und Überzeugung. Religiöse Musik hat viel mehr Vitalität und Lebendigkeit als Rock V Roll. Schau dir die frühen Reggae-Sachen der Rastas an! Wunderbar! Wenn Leute wirklich an etwas glauben, ist die Musik entsprechend intensiv. Aber man kann diese Musik in ihrer reinen Form nur schwer auf Platten festhalten. Also haben wir mit dieser Platte versucht, durch andere Mittel, wie Collage und Verfremdung, eine Intensität wiederherzustellen, wie sie etwa auf einer Gospelveranstaltung herrscht.“

ME/SOUNDS: Deine Vorliebeßr eher bodenständige Dinge und Menschen kommt etwas überraschend. Hast du plötzlich die Liebe zur Provinz entdeckt? Immerhin hast du 1979 eine Lied geschrieben, „Big Country“, in dem du behauptest, nicht malfiir viel Geld dort leben zu wollen?

BYRNE: „Der Song entstand nur deshalb, weil ich ein Jahr davor ,Don“t Worry About The Government‘ geschrieben hatte. Und ich fand, ich sollte mich mit diesem Thema auch von dem anderen Standpunkt auseinandersetzen. Das ist eben so, wie wenn man das Bett mal von der einen und mal von der anderen Seite verläßt und ausprobiert, was einem besser gefällt. Die Provinz hat mehr Reize, als man annimmt, wenn man einmal seine Vorurteile abgeschüttelt hat. Doch mein Hauptinteresse gilt den Strukturen hinter der Fassade.“

ME/SOUNDS: Was wohl ein typisches Merkmal der Talking Heads-Musik ist und auch deines Filmes.

BYRNE: „Ja. Ich habe gern als Basis eine Struktur, die ich dann im Laufe der Zeit auffüllen kann mit allen möglichen Dingen, die rein intuitiv passieren. Mit denen kann ich einfach besser umsehen, wenn ich eine klare Struktur orliecen habe.“

ME/SOUNDS: Du meinst, selbst im Chaos gibt es dann noch einen Weg?

BYRNE: „Ja. Musikalisch ausgedrückt: Wenn du einen guten Rhythmus hast, dann kannst du darum alle möglichen und unmöglichen Klänge plazieren. Es bleibt dennoch interessant. Wenn du keinen Rhythmus hast, kannst du noch so gute Einfälle haben, es wird nie eine kompakte Einheit ergeben.“

ME/SOUNDS: Und im Leben?

BYRNE: „Da gilt dieses Prinzip erst recht, öder? Die Gefahr, sich zu verzetteln, liegt doch heute sehr nahe bei dem Angebot der Medien, der Möglichkeiten. Wünsche und Sehnsüchte, die da tieweckt werden.“

ME SOUNDS: MORE SONGS ABOUT BUILDINGS & FOOD hieß ein früheres Talking Heads-Album. Food hatten wir schon, aber die Faszination für Städte und Gebäude, was ist damit?

BYRNE: „Ich bin ein Architektur-Fan, denn Häuser, Gebäude und Städte sind ebenfalls ein Ausdruck der Menschen, eine ähnliche Erweiteruni; wie die Kleidung, ein Image.“

ME/SOUNDS: Wenn du in einer fremden Stadt ankommst, rennst du dann los und erforschst die Stadt systematisch ?

BYRNE: „Würd ich gerne tun. Leider bleibt dafür meist keine Zeit. Oft genug kann ich die Atmosphäre einer fremden Stadt nur vage fühlen. Ich blättere aber izern in Bildbänden über Städte.“

ME/SOUNDS: Bist du selbst ein typischer Stadtmensch?

BYRNE: „Ein Städter bin ich schon, aber geboren bin ich in Schottland. Meine Familie zog um. als ich noch sehr jung war. Zuerst nach Kanada, dann nach Baltimore. Merkwürdig, meine Familie hat Glasgow verlassen, eine Stadt, in der Schiffe gebaut werden, und zog in eine andere mit Werften.

Glasgow war wohl schon damals eine harte Stadt, viel Arbeitslosigkeit, viele Auswanderer nach Amerika. Fast jeder hat Verwandte zurückgelassen. Wir auch. Als .True Stories‘ beim Edinburgh-Festival lief, kamen diverse Verwandte von mit mit einem Bus, Cousins und Cousinen, manche habe ich zum ersten Mal getroffen. Es war sehr schön.“

ME/SOUNDS: Wenn du dort geblieben wärst: Was würdest du wohl heute machen?

BYRNE:“.Vielleicht wäre ich ein schottischer Folksänger geworden. Die haben ja eine große musikalische Tradition — und Traditionen haben mich schon immer interessiert. Wer weiß.“