Die spitzen Schnüffler


"MÜLLERS BÜRO" heißt der wunderliche Streifen. Und kommt natürlich aus Österreich -— jenem Land, das uns schon "Kottan" und seinen abseitigen Humor schenkte. Wer nicht genug kriegen kann von vor-balkanischer Querdenkerei, sollte diesen schrägen Detektivfilm unter keinen Umständen verpassen.

Es geht um „Müllers Büro“ und damit um einen Detektiv, oder besser, um alle Detektive, die je im Film, im Fernsehen und im Roman ihr Unwesen trieben. Regisseur Niki List ist nichts heilig; er verwurstet in seinem Film alle Mythen, Helden und Klischees, die in diesem Umfeld je kreiert wurden. Die Story von „Müllers Büro“ ist denn auch prompt so verschlungen, daß sogar die Geschichte von „Tote schlafen fest“ dagegen verblaßt.

Das wilde Durcheinander von Entführungen, Morden und Bandenkriegen ist allerdings nicht einmal sonderlich wichtig, um an dem Film seinen Spaß zu haben. Es ist die Verschrobenheit im Detail, der Irrwitz, mit dem List schlaue und saublöde Pointen aufeinanderschichtet. Er läßt keinen der abgestandenen Witzchen aus, die so unendlich viele schlechte Regisseure immer wieder aus der Mottenkiste holen. Aber er tut das so banal-vordergründig, daß es hier plötzlich wieder funktioniert.

Der Overkill macht’s: Sogar fossile Säuferwitze sind wieder lustig. Die Nummer mit dem dummen Blondchen (Müllers Sekretärin) ist so frisch wie gerade erfunden — und daß Müller seinen schläfrigen Assistenten stets mit einem heftigen Furz weckt, ist ein solch grobschlächtiger Brüllwitz, daß sich selbst die Macher der unsäglichen Thomas Gottschalk/Mike Krüger-Klamotten davon distanzieren würden. List aber macht’s so frech, daß er bei fast jedem Publikum damit durchkommt.

Ein zusätzlicher Kick liegt darin, daß etwa zwei Drittel der Dialoge gesungen werden: Ob beim Kopulieren (laut Verleih-Werbung der erste gesungene Orgasmus der Welt) oder beim Ableben: Irgend jemand hat immer ein fröhlich‘ Lied auf den Lippen.

Gekonnt imitiert Niki List den bonbonbunten Glamourkitsch der 50er Jahre. Mit sicherem Griff trifft er stets genau den falschen Ton und gibt seine Figuren sowie das ganze Detektiv-Genre der Lächerlichkeit preis. Zur großen Freude des Publikums: Barbara Rudnik und Christian Schmidt sind die komischste Westentaschenausgabe des Glamour-Paares Lauren Bacall/Humphrey Bogart, die es in den letzten Jahren im Kino gab.

Er ist ein versoffener Versager, der auf so etwa alles springt, was möglicherweise weiblich ist; sie wäre gerne die große Dame von Welt, ist aber hinter der eleganten Fassade genauso hohl wie Müllers blöde Tippse, hat aber nicht einmal deren Warmherzigkeit.

Kaum beim ersten Anschauen mitzubekommen sind die vielen Kleinigkeiten, mit denen der Film beiläufig garniert ist: zum Beispiel steht da über einem Puff in großen Neonlettern der Name „Fuck Inn“. Das kann man nun so oder so lesen: als schiefhängendes Wortspiel auf den rüden britischen Verweis „fuck off“ — oder als Persiflage auf den Sexmarkt, der mit Erotik nichts mehr zu tun hat. Niki List schüttelt diese kleinen, verdrehten Pointen mit Leichtigkeit aus dem Ärmel, und gibt der unteren Lachebene (Klamotte) eine zweite, vermeintlich nachdenkliche, die jene befriedigt, die überall einen Hintersinn suchen und finden müssen, um den selbstgestellten Anspruch zu erfüllen. Die Frage allerdings bleibt, ob Herr List uns alle nicht ganz gewaltig an der Nase herumführen will: „Müllers Büro“ ist ganz sicher nichts für Leute, die jeden Freitag mit andächtiger Miene ins Vorstadt-Programmkino pilgern, um dort mit viel cineastischem Ernst die Filme der schwarzen Serie zum x-ten Mal zu bestaunen. Hier werden Helden demontiert. Schamlos, dekadent und österreichisch. Niki List ist wirklich gnadenlos. Er läßt niemanden am Leben. Die Bösen und die Guten sterben wie die Fliegen, am Schluß ist Tabula rasa. Im Finale erlegen sich die letzten Überlebenden gegenseitig. Die Sekunden vorm Tod reichen locker, um das jeweilige Gegenüber noch mit der einen oder anderen Kugel zu versehen. Noch nie wurde im Kino so unglaublich komisch gestorben. Ehrlich!