Ein Lieblingslied, das sie noch nicht kannten


Auch für Kooks-Drummer Paul Garred und Gitarrist Hugh Harris gibt es noch viel zu entdecken. Big Star zum Beispiel. „Sind notiert!"

Die beiden schlurfen gut gelaunt in den Backstageraum der Kölner Kulturkirche. Hugh Harris hat Kaffee und Gitarre dabei. Gitarre? Wir wollen doch ihnen etwas vorspielen! Nicht umgekehrt. Sie zeigen sich dann auch als aufmerksame Zuhörer. Harris dreht sogar immer wieder die Lautstärke des CD-Players bis zum Anschlag auf und will die Instrumentierungen genau analysieren.

The Stone Roses „She Bangs The Drums“

hugh harris (nach einer halben Sekunde): Blondie!

paul garred: Unsinn! Stone Roses mit „She Bangs The Drums“. Eine super Band und eine grandiose Platte. Das ist ihr Debütalbum, (guckt Harris vorwurfsvoll an) Damit ging das ganze Manchester-Ding los. „Fool’s Gold“, ihr großer Hit, kam danach, aber der ist nichts gegen dieses Stück oder auch „I Am The Resurrection“ – das ist unerreichbarer Pop. Diese ganzen Manchester-Bands haben so schöne sonnige Musik gemacht.

hugh: Ich mochte die Smiths lieber.

paul: Das kann man gar nicht vergleichen. Man kann die Happy Mondays mit den Stone Roses vergleichen, aber die Smiths spielen doch in einer ganz eigenen Liga.

hugh: Okay, okay, mir gefällt der Song ja auch. (spielt auf der Gitarre mit) Die Gitarren sind wirklich schön. Cooles Stück.

Kinks „Lavender Hill“

PAUL: Kinks!

hugh : Klar, Kinks, aber welcher Song? Den kenne ich gar nicht. Willst du uns mit Bootlegs quälen?

paul: Dass du den Song nicht kennst, muss nicht heißen, dass er die größte Rarität der Welt ist.

Er heißt „Lavender Hill“, ein Song von 1967, den sie als Nachfolgesingle zu „Waterloo Sunset“ rausbringen wollten. Er ist auf the great lost kinks album.

hugh: Wir sind riesige Kinks-Fans. Bob, unser Manager, hat mir die Band erst so richtig nahe gebracht. Als Kind habe ich sie komplett verpasst.

Was hast du stattdessen gehört?

hugh: Die stones. Meine Eltern haben immer nur die „Beatles oder Stones“-Diskussion geführt, darüber hinaus gab’s nicht Viel. Aber ich finde die Kinks mittlerweile viel besser.

paul: Schade, dass sie nie den Ruhm bekommen haben, den sie verdient haben. Vor allem in Amerika hatten sie es schwer.

hugh: Obwohl die Amerikaner sie eigentlich hätten mögen müssen; die mögen ja auch die shiny happy Lieder der Beach Boys.

(Paul singt mit hoher Quietschstimme ein paar Passagen eines undefinierbaren Beach-Boys-Songs.)

The Coral „Put The Sun Back“

paul: Schwierig… Nein, das sind The Coral!

hugh: Wow! Die klingen aber souverän, (dreht die Lautstärke auf und spielt auf der Gitarre mit) Wann erreicht man wohl so ein hohes Maß an Gelassenheit als Band? Sie sind nur ein paar Jahre älter als ihr. Das ist von ihrem aktuellen Album.

paul: Brillante Band. Wir haben unsere Platte mit einem Typen aufgenommen, der auch an dem Coral-Album mitgearbeitet hat. Er hat uns damals die Songs vorgespielt, die für ihre Platte in Frage kamen. Alles eher nerviges Gedudel. Deshalb wundert es mich, dass so was Poppiges dabei ist.

Die ganze Platte ist so.

hugh: Ich fand es super, dass sie auf ihrem ersten Album dieses Wickerman-Thema hatten. „The Wickerman“ ist mein Lieblingsfilm. Dieses beklemmende Gefühl, das sich so langsam ranschleicht, Schön düster. Auch der Soundtrack dazu ist hübsch krank; dieses verrückte, abgerückte Pagan-Folk-Zeug kann man nur hören, wenn man ganz klar im Kopf ist, sonst dreht man durch. Ich liebe diesen Wickerman-Scheiß!

paul : Ich habe nuch immer eher mit der Pop-Sensibilität von The Coral verbunden gefühlt. Mit ihrem schönen, klaren Sound.

Flamin Groovies „Shake Some Action“

(Beide wippen sofort heftig mit und sehen sich an.)

paul: Das mögen wir, nicht wahr?

hugh: Großartig, (dreht lauter) Wer ist das?

paul: Sie klingen wie die Only Ones, sind es aber nicht.

Kleine Hilfe: eine US-Band, das Stück ist von 1976.

paul: Ja, das klingt nach dieser Zeit. Super, in den Siebzigern hätte ich auch gern Musik gemacht. Das erinnert mich auch an Nick Lowe und diesen ganzen Powerpop-Kram.

Das sind die Flamin’Groovies, eine der Kernbands der 70er-Powerpop-Bewegunq in Kalifornien.

hugh: Klingt aber ganz schön britisch, fast wie Buddy Holly. Aber die Rhythmsection klingt auch irgendwie wavig.

paul: Ja, die decken alles ab. Pop, Wave, ein bisschen Punk und Soul. Super, das muss man erst mal hinkriegen. Schreibst du uns den Songtitel auf?

Mystery Jets „Half In Love With Elisabeth“

paul : Oh, mit denen haben wir schon hundertmal gespielt. Sehr nette Jungs. hugh: Bitte lauter! Oh Mann, was ein Bass! (spielt Luft-Bass) Ihre Musik ist wirklich tricky. Obwohl alles so hektisch gespielt ist, passt alles perfekt zueinander. Dazu auch noch diese nicht ganz unkritische Stimme – aber sie schaffen es, dass es irgendwie hinhaut.

paul: Aber für den großen Popmarkt ist das nichts. hugh: Stimmt. Aber ihr Debüt war für mich die beste UK-Platte seit Jahren.

Duffy „Warwick Avenue“

hugh: Nicht schlecht, gutes Rip-Off von „My Girl“.

paul: Kenne ich nicht.

Das ist Duffy.

Beide: Ah, das ist also Duffy.

hugh: Schöne Musik, die an alte schöne Musik erinnert.

paul : Dieses ganze Retroding ist sowieso super. Mir egal, ob es alt oder neu ist, Hauptsache, endlich mal wieder schöner Pop.

hugh: Aber mit Duffy ist das so eine Sache. Hätte sie ihre Platte drei Jahre vor oder nach Amy Winehouse rausgebracht, dann wäre jeder ausgeflippt. Aber so ist sie eben nur die neue Amy Winehouse.

paul : Aber den Leuten ist das egal, die denken nicht so. Gegen nette Musik zum Spülen oder Bügeln hat keiner etwas.

Superpunk „Ja, ich bereue alles“

(Harris trommelt auf dem Tisch mit) paul: Sind das die Beach Boys der deutschen Indieszene?

Das wird sie freuen.

hugh : Bei der Musik krieg ich Durst auf Bier, (dreht lauter) Auch das wird sie freuen.

paul: Ich find das gar nicht Bier-mäßig. Der Song hat eine richtig gute Melodie. Blöd, dass wir den Text nicht verstehen können, aber mir gefällt das auch so sehr.

(Garred singt aus vollem Hals den Oohoohooh-Chor mit)

Kirsty McColl „Terry“

paul: Kirsty! Finde ich super.

hugh: Ich mag ihre Stimme nicht, und auch ihre Version von „A New England“ ist Mist. Das Original von Billy Bragg ist viel besser.

paul: Ach was, du hast ja keine Ahnung. Ich finde sie toll. Wo gibt es denn sonst schon mal schöne Frauenstimmen?

Welche Frauenstimmen mögt ihr denn sonst?

paul: Also, ich mochte das Amy-Winehouse-Album sehr, auch wenn es so durchgenudelt ist.

hugh: Ich mag Dusty Springfield und alte Girlbands wie Diana Ross & The Supremes, aber auch CocoRosie fand ich gut, vor allem, wie die beiden Stimmen miteinander spielen.

Big Star „The Ballad Of El Goodo“

hugh: (legt die Gitaire weg) Wow, was ist das denn?

Das klingt wie ein Lieblingssong von mir, aber ich kenne dieses Lied gar nicht.

paul: (fasst sich ans Herz) Pub, das geht ja direkt hier rein. hugh: Wer in Gottes Namen ist das? Ich möchte sofort allein sein und dieses Lied hundertmal hintereinander hören!

Das ist Big Star, die Band von Alex Chilton und Chris Bell. Als sie aktiv waren, Anfang der Siebziger, interessierte sich kaum einer für sie; erst viel später wurden sie zu so etwas wie musician’s musicians.

paul : Diese Harmonien hauen mich um. Musik, die traurig und beglückend zugleich ist – das nenne ich perfekten Pop.

»>www.thekooks.co.uk

>» ALBUMKRITIK ME 4/08, STORY ME 5/08