Ein Spiel zu Dritt…


Sie war weder hübsch, noch hatte sie Temperament. Sie war klein, blass und unscheinbar. Und doch zog sie ihn an. Er wollte sie kennenlernen, um jeden Preis, und das wurde ihm zum Verhängnis…

Die Party bei Klaus war ohne Schwung. Er hatte sich in eine Ecke verkrochen und beobachtete die Paare, die dicht beieinander sassen oder tanzten. Niemand war allein gekommen, nur er. Sabine hatte ihn im letzten Moment versetzt.

„Ich muss Überstunden machen“, hatte sie erklärt. „Du weisst, wir haben am Ende des Monats immer viel zu tun. Wir sehen uns morgen, ja?“

„Nein“, hatte er wütend geantwortet. „Morgen muss ich Überstunden machen“ Und jetzt sass er hier, rauchte viel und trank noch mehr. Jetzt tat es ihm leid, dass er nicht freundlicher zu Sabine gewesen war. Vielleicht musste sie wirklich Überstunden machen? „Hey Tony, löst Du mich ab?“ Klaus setzte sich zu ihm. „Spiel Du bitte den Disjockey. Ich will endlich einmal tanzen!“ Tony stand auf und begab sich in eine andere Ecke des Raumes, in der Klaus‘ Sterioanlage aufgebaut war. „Here comes that rainy day feeling again“ . .. die Platte passte zu seiner Stimmung. Er lehnte sich zurück und genoss die Musik. Plötzlich entdeckte er, nur wenige Meter von ihm entfernt ein Mädchen, das auch allein zu sein schien. Als sie merkte, dass er sie beobachtete, stand sie auf. Sie war weder hübsch, noch auffallend. Sie kam auf ihn zu und fragte mit leiser Stimme: „Legst Du bitte einmal „Another Day“ auf?“

„Paul McCartney-Fan“, fragte er spöttisch. „Wieso?“

„Oh, nur so…“ Er durchwühlte den grossen Stapel Singles und fand schliesslich was er suchte. „Nicht mein Geschmack“, bemerkte er dann. „Ich mag Deep Purple lieber“.

Sie setzte sich neben ihn, ohne dass er sie dazu aufgefordert hatte. Er legte Beatles auf, Stones, Deep Purple und alles was ihm zwischen die Finger kam. Ihre Gesellschaft belebte ihn, ohne dass er sich dessen bewusst war. Er wollte sie kennenlernen, um jeden Preis. Sie war unscheinbar aber was machte das schon? Es tat gut, zu wissen, dass sie ihm zuhörte, wenn er etwas sagen wollte.

„Ich heisse Sandra“, sagte sie und er fand, dass der Name zu ihr passte. Als er ihr eine Zigarette geben wollte, lehnte sie ab. Sie rauchte nicht und trank auch keinen Alkohol. „Früher habe ich manchmal einen Whisky getrunken“, erzählte sie. „Leider kann ich keinen Alkohol vertragen. Nach zwei Gläsern habe ich nur dummes Zeug geschwatzt. Deshalb halte ich mich jetzt lieber an Orangensaft.“ Er versuchte, sich Sandra betrunken vorzustellen, aber er besass nicht viel Vorstellungskraft.

„Ich hab‘ Dich hier noch nie gesehen“, sagte er. „Kennst Du Klaus, oder mit wem bist Du hier?“

„Ich bin Klaus‘ Cousine“, sagte sie und lächelte. Später tanzten sie, zuerst schnell und dann langsam. Und plötzlich war es ganz selbstverständlich, dass er sie küsste und nach Hause fuhr. Er hatte einen blauen, gebrauchten VW und als sie neben ihm sass, fühlte er so etwas wie Zufriedenheit. „Wir wohnen noch nicht lange hier“, erzählte sie. „Ich kenne deshalb nur wenig Leute.“

„Wann hast Du Zeit“, fragte er, als er sie vor Ihrer Wohnung absetzte. „Ich habe immer Zeit“, erwiderte sie. Er schrieb ihre Telefonnummer auf und versprach, sie anzurufen.

DIE WAHRHEIT

Sag es!“ Sabines Stimme klang gebieterisch und er wurde ärgerlich. „Es gibt nichts zu sagen.“ „Du bist mir mindestens eine Erklärung schuldig!“

„Verdammt, warum redet Gaby auch immer so dummes Zeug …“ Er wurde nervös und versuchte, Sabine auf seinen Schoss zu ziehen. „Gaby ist meine beste Freundin und ich bin froh, dass sie unsinniges Zeug quatscht, denn dadurch erfahre ich wenigstens die Wahrheit!“ „Die Wahrheit kann tch Dir sagen. Die Wahrheit ist, dass ich mit einem, kleinen, dünnen, nichtssagenden Mädchen getanzt habe.“

„Du hast sie nach Hause gebracht!“ „Okay, ich habe sie nach Hause gebracht. Na und …?“

„Hast Du sie geküsst?“

„Nein!“

„Er wusste selbst nicht, warum er lügte, aber es schien ihm fairer, ihr die Wahrheit zu verschweigen.

„Ich glaub‘ Dir nicht“, sagte sie. „Ich muss Überstunden machen und Du vergnügst Dich indessen mit einem Mädchen, das ausserdem noch hässlich ist!“ „Sie ist nicht hässlich, ich habe lediglich gesagt, dass sie unscheinbar und …“

„Siehst Du, jetzt verteidigst Du sie auch noch. Und mir willst Du weismachen, dass sie Dich nicht interessiert.“

„Es hat überhaupt keinen Sinn, mit Dir zu diskutieren“, entgegnete er wütend. „Du verdrehst einem die Worte im Munde“. Wirst Du sie wieder treffen“, fragte sie plötzlich sanft. „Nein!“

„Okay“, sie liess sich auf seinen Schoss ziehen und küsste ihn auf die Wange. „Ich will Dir noch einmal verzeihen, aber wenn ich Dich noch einmal mit ihr erwische, dann ist es aus zwischen uns.“

DIE ROTEN HOTPANTS

Zwei Wochen traf er sie wieder. Ganz zufällig und ohne, dass er darauf vorbereitet war. Sabine wollte sich Hotpants kaufen und war mit drei verschiedenen Shorts in der Umkleidekabine verschwunden. Er sass auf einem Hocker und blätterte gelangweilt in einer Zeitschrift, als plötzlich Sandra vor ihm stand. Sie trug ein Midikleid, das ihr nicht stand. „Tag Tony“, sagte sie und dann, als er nicht antwortete: „Wie gefällt Dir das Kleid?“ Er beschloss, ihr die Wahrheit zu sagen. „Es steht Dir nicht, macht Dich zu alt!“ „Aber…“ sie sah ihn ratlos an. „Warum kaufst Du Dir nicht Hotpants?“

„Ich weiss nicht, meine Beine…“ „Quatsch“, sagte er heftig. „Deine Beine sind okay. Du musst mehr aus Dir machen.“ Er nahm einen roten Hotpant vom Bügel und gab ihn ihr.

„Wenn Du wirklich meinst“, sagte sie und ging in die Kabine. Plötzlich kam Sabine. „Ich nehme den roten“, sagte sie zu Tony. „Ich lass‘ ihn gleich an.“ Später gingen sie in ein Cafe und assen ein Eis. „Was tun wir morgen?“ überlegte Sabine. „Klaus fährt an die See. Hast Du Lust? Oder fahren wir lieber in die Heide. Ich weiss nicht, was meinst Du?“ Als er antworten wollte, bemerkte er aufeinmal eine kleine, schmale Gestalt mit roten Hotpants, die auf ihn zukam. Sie war es: Sandra! „Ich hab‘ Dich gesucht“, sagte sie leise, aber ohne Vorwurf. „Wo bist Du nur so schnell geblieben? Ich habe die rote Hose genommen …“

Dann fiel ihr Blick auf Sabine. Und Sabine sah erst Sandra an, dann Tony, dann die roten Hotpants. „Setzen Sie sich“, sagte sie. „Sie sind sicher die Cousine von Klaus!“

„Ja, woher wissen Sie das?“

„Oh, ich habe einen 6. Sinn für solche Sachen! Sie lachten beide und Tony fühlte sich plötzlich nicht sehr wohl in seiner Haut. „Ich bin gleich wieder da“, sagte er zu Sabine. „Will nur eben schnell mal auf’s Töpfchen!“

„Geh‘ nur“, sagte Sabine. Er ging zum Zigarettenautomaten, der neben dem Eingang stand und zog sich seine Marke. Plötzlich tippte jemand auf seine Schulter. „Ist das Ihr Wagen, der vor meiner Garage steht?“ „Sie meinen den blauen VW?“

„Genau!“

„Okay, ich parke ihn schell woanders!“ Er verliess das Cafe und stieg in sein Auto. Es dauerte länger, als er erwartet hatte, denn alle Parkplätze waren besetzt. Schliesslich liess er ihn drei Strassen weiter stehen. Als er endlich zurück war, sass eine dicke Frau auf seinem Platz und ass Kuchen. Von Sabine und Sandra war nichts zu sehen.

DIE FREUNDIN …

AIs er klingelte, öffnete Sabine. „Tut mir leid“, sagte er. „Ich musste meinen Wagen wegsetzen …“

„Ach ja, Dein Wagen,“ sagte sie. „Komm‘ rein.“ Er trat ein und bemerkte, dass Sandra auch da war.

„Ich hatte kein Geld bei mir“, sagte Sabine.

„Sandra hat für mich.bezahlt.“ Sie setzte sich. „Wo waren wir stehengeblieben?“

„Du hast mich gefragt, ob ich mit Dir an die See fahren will!“

„Aber wir wollten doch zusammen fahren“, versuchte Tony zu protestieren.

„Mit Dir?“ Sabine sah ihn lange an. „Mit uns ist es aus, damit Du es nur weisst!“

„Sabine und ich kennen uns schon seit Jahren“, bemerkte Sandra.

„Ja, und ich habe Sandra gebeten, sich auf der Party ein wenig um Dich zu kümmern!“ Plötzlich verstand er.

„Oh, Ihr habt Euch dieses Spiel also nur ausgedacht, um mich zu ärgern?“ „Nein, wir wollten Dich nicht ärgern“, Sandra sah ihn an.

„Wir wollten Dich prüfen!“

„Und Du bist durch die Prüfung gefallen, mein Schatz!“ ergänzte Sabine und lachte.

„Glaubt bloss nicht, dass ich Euer idiotisches Spiel mitspiele!“ entgegnete er böse.

„Das könnt Ihr mit mir nicht machen!“ Er ging hinaus und warf die Tür ins Schloss. Draussen hörte er, dass auch Sandra lachte. Die Sonne schien, es war ein schöner Tag. Er wusste nicht, warum er sich plötzlich elend fühlte.