Elkie Brooks


Wenn Elkie Brooks von Dingen erzählt, die ihr mißfallen, erwähnt sie regelmäßig zwei Sachen: Erstens, daß sie in jungen Jahren Alkoholikerin war, weil sie das Leben als Tingelmädchen in Stripschuppen nervlich fertiggemacht hat. Und zweitens, daß es in Japan keine Sex-Sauna für Frauen gibt. "Man stelle sich das vor: eine ganze Hundertschaft hübscher Jünglinge, die einen massieren und mit kostbaren Ölen einreiben. Mann, aus so einem Laden würde man mich nie wieder herauskriegen."

Wer nach diesen Worten immer noch nicht gemerkt hat, daß die ehemalige Vokalistin von Vinegar Joe anscheinend in das Lager der singenden Vamps überwechseln möchte, der sollte sich das Cover ihrer ersten LP „Rich Man’s Woman“ ansehen. Elkie zeigt darauf nur nackte Haut, wenn man mal von einer bonbonfarbenen Federstola absieht, die mit Mühe und Not den Bad Godesberger Anstandsbalken ersetzt.

Nein, das ist nicht mehr die Elkie Brooks, die man aus den Tagen von Jody Grind, Dada oder Vinegar Joe kennt. Sie ist es weder musikalisch noch vom Aussehen her. Zuerst schlampte sie in zerrissenen Jeans und schmuddeligen Hemden herum. Da war sie die FTeakbraut überhaupt. Sie hatte reichlich Akne, einen etwas pummeligen Körper und ein verquollenes Gesicht. Ihre Haare waren lang, wild und verfilzt, und mit ihrem Teint hätte sie nie Reklame für Baby-Cremes machen können.

Später, bei Vinegar Joe, kehrte sie die Furie heraus und strampelte sich wenigstens einige überflüssige Pfunde vom Leib. Man nannte sie die „weiße Tina Turner“, weil sie in einem geschlitzten Rock über die Bühne stampfte und ihre prächtigen Schenkel schwungvoll durch die Luft wirbeln ließ. Und wenn das Publikum nicht recht in Stimmung war, ließ Elkie mal kurz ein grosses Stück blanke Brust aufblitzen. Das hob schließlich selbst den ausgeflipptesten Freak vom Hocker. Und die machten dann aus der Mücke den berühmten Elefanten: „Die Brooks hat mindestens fünf Minuten splitternackt auf der Bühne getanzt, sage ich euch.“ Nicht zuletzt durch diese Gerüchte wurde Vinegar Joe zu einer der beliebtesten Live- und Festivalbands. Aber Platten verkaufte die Truppe kaum.

Allein aus diesem Grunde besteht Vinegar Joe seit 1974 nicht mehr. Seither bereitete sich Elkie zäh auf ihre Solokarriere vor. Überflüssige Pfunde wurden abtrainiert, das Gesicht geschmälert, die Stimme vom Rost befreit. Aus dem häßlichen Entlein und der späteren Furie ist ein Schwan geworden, der genau weiß, was er will: „Ich will Rock singen. Und ich will als Rocksängerin akzeptiert werden. Das ist in Europa unmöglich, weil man die Sängerinnen nicht ernst nimmt.Deshalb bin ich in die Staaten übergewechselt.“

Ihre erste Station waren die Plant-Studios in Los Angeles. Mit fünf eigenen und vier „geborgten“ Songs, einem Haufen Sessionmusikern und viel Mut konstruierte sie ihr „Rieh Man’s Woman“. Es ist eine neue Elkie Brooks, die sich darauf präsentiert. Zwar sind die Songs immer noch recht rockig, aber ein gewisses Quantum schwerer Soul und ein bißchen Romantik sind unüberhörbar: „Ich bin nicht mehr der revoltierende Teenager von einst, ich bin eine Frau!“

Elkie versucht, Vielfalt in ihr musikalisches Repertoire zu bringen, und es scheint so, als sei dieses erste Album eine Art Testballon. Was mag wohl am besten ankommen? Man hört einmal Arrangements im aufwendigen Spector-Sound, dann wiederum wird man an Nachtclub-Combos erinnert, um wenig später zwar imitierte, aber doch „romanzende“ Geigen im Ohr zu haben. Schön wird es nur, wenn die Rockband ganz allein Elkies.Begleitung übernimmt, um einen lockeren, rhythmischen Background zu produzieren. In diesen Momenten ist auch die Sängerin am stärksten, die mittlerweile anscheinend auch nicht mehr so recht zu ihrer ersten LP stehen mag: „Ich habe mir für die Zukunft vorgenommen, bessere Songs zu schreiben, besser Piano spielen zu lernen und bessere LPs zu machen.“

Im Moment versucht sie fieberhaft, eine feste Band zusammenzustellen, mit der sie auf Tournee und ins Studio gehen kann. Elkie: „Für mich erhob sich zunächst die Frage, ob ich meinen Sound vollkommen ändern oder doch ein wenig auf den Spuren von Vinegar Joe wandeln sollte. Diese Frage hat sich mittlerweile erledigt. Ich möchte künftig wieder Rock singen. Deshalb werden die Mitglieder meiner Band auch ausschließlich Rockmusiker sein.“

Ihr erstes Soloalbum betrachtet sie inzwischen als einen Querschnitt durch das, was sie singen könnte, wenn sie es wollte. Unter diesem Aspekt ist „Rieh Man’s Woman“ eine gelungene LP. Und um die gute Elkie wird man in Zukunft kaum bangen müssen. Sie hat eine ausgezeichnete Stimme und ist längst routiniert genug, um ihren Weg zu machen.

Um es mit einer Floskel zu sagen: Rom wurde schließlich auch nicht an einem einzigen Tag erbaut.